Mit 18 dann das erste richtige Motorrad,
eine
Honda 400Twin mit 43 PS! Wir waren die Kings of
the Road. Jeden Freitag nach Dienstende zwängte
sich der junge frischgebackene Bankangestellte
in die viel zu enge Dainese-Lederkluft, den
leuchtorangenen Römer-Pneu aufgesetzt und ab
auf den Asphalt. 1977 schrieb Manfred Mann "Dave's on the
Road again".
Das Lehrgeld für den Zweikampf
mit einem Automobilisten beschränkte sich zum
Glück nur auf 's Material. Alle 14 Tage
erschien "Das Motorrad", der Trafikant
auf dem Weg in meine Arbeitsstelle kannte mich
bereits. Die etwas Älteren fuhren damals
Tausender, Gold Wings und F1 und F2 von Honda,
die schnellen Kawas und die noch Reiferen: BMW R
90 RS
Dann war da ein Bericht im MOTORRAD über
einen Erlkönig von Suzuki, ein unscharfes Bild,
man schätzte zwischen 750 und 1000 ccm und vor
allem ein Kardan. Mein erster Gedanke: ...wenn
die in Serie ginge, das wär's.... Ich sammelte
Berichte in allen einschlägigen Blättern, von
den Erstvorstellungen, den ersten Fahrberichten
der SUZUKI GS 850 und im September 78 war's dann
soweit.
Die Honda wurde eingetauscht gegen einen
Vierzylinder mit 78 PS,
etwas gewichtig zwar,
aber ein Langstreckler halt und jedenfalls
sportiver als die braven BMWs und die noch
gewichtigere Gold Wing. Die Ehrfurcht vor der
Leistung, die turbinenartige
Motorcharakteristik, dieser Moment als ich
"meine SUZEL" nach Hause fuhr ist mir
heute noch gegenwärtig.
Die noblen 35l Krauserkoffer schmuggelte man
damals aufgrund der aufrechten Grenzen und der
bestehenden Einfuhrbestimmungen noch vom nahen
Bayrischen Piding ins österreichische herüber,
irgendwelche Pickerl drauf, mit Tempo durch die
Drecklatsche (Pfütze) gefahren und mit ein bisschen Herzklopfen am Zöllner vorbei.
Die ersten Reisen mit Zelt und Schlafsack
führten uns über die klassischen Pässe der
Schweiz nach Frankreich, Italien, ins damals
noch vereinte Yugoslawien, Korsika, Ostern auf
Elba, zum Todestag Tito's sorgte ein japanischer
Vierzylinder im Hafen von Rijeka noch für einen
Volksauflauf. Der Besuch eines kleinen
Motorradtreffens in der Schweiz - in einem 1600
m hoch gelegenen Berggasthof in Schwyz,
alljährlich in der zweiten Oktoberhälfte -
wurde zum liebgewonnenen Jahresabschluss - vom
warmen Fön bis zu eingeschneiten Motorrädern
reichte die Palette der Witterung.
Damals war eine Jahresleistung von 10.000 km die
Regel. Die Inntalautobahn war grad im Bau,
überhaupt: straßenbauliche Aktivitäten die
man damals nur nebenbei registrierte sind heute
selbstverständliche Streckenführung.
Erinnerlich war da noch ein Werbespot von
KAWASAKI, wo ein rasensprengender Hausbesitzer
angesichts einer geparkten Vierzylinder KAWA die
Welt um sich herum vergisst, damals waren das
noch Träume von denen ich dachte, dass Sie für
mich nie in Erfüllung gehen würden und
plötzlich ist man mittendrin in diesen
Visionen.
1983 entdecke ich eine neue Zeitschrift am
Markt, nicht mehr so leistungsorientiert wie das
MOTORRAD, sondern mehr auf Reisen und Tests von
tourentauglichen Motorrädern spezialisiert.
Überhaupt waren die Testberichte damals so eine
Sache. Oft hatte ich das Gefühl, ich hätte das
einzige Motorrad, das bei welligem Straßenbelag
jenseits der 100 km/h zu wackeln beginnt. In den
Berichten der MOTORRAD-Tester war immer nur von
leichten Fahrwerksunruhen die Rede, war ich denn
ein Einzelfall, dass meine 65 kg nicht in der
Lage waren ein 200 Sachen schnelles Motorrad
schon bei 120 km/h Kurven halbwegs auf Kurs zu
halten? Ich erinnere mich, dass ich wirklich
haderte, die richtige Entscheidung getroffen zu
haben. Freilich, als eine BMW R 90 S - die vom
Poster in meine Jugendzimmer - mich auf der
Autobahn in meinen 127er FIAT überholte und auf
der Mittellinie gehörig ins Wackeln kam, war
mir meine SUZEL wieder gut, aber trotzdem, warum
konnte ein Freund mit seiner Laverda - wenn Sie
zum Laufen kam- eine der berühmten
Fahrwerkskurven mit 160 durchfahren, womöglich
noch einhändig und meine gute SUZEL fängt an
der bewussten Stelle schon bei 120 zum wackeln
an...? Die Lösung diese Fahrwerksproblems war
nicht in den schon nach 30.000 km montierten
Konis zu finden, sondern darin, dass ich von
einem Bekannten eine Guzzi Le Mans III erwarb
und forthin die Aufgabenbereiche klar trennen
konnte: die GUZZI zum schnell fahren und
schrauben, die SUZEL zum Reisen und Kilometer
schinden. .
Bedingt durch den Familienzuwachs
war die
bequeme Sitzbank in Folge nur einsitzig belegt,
schnelle Wochensprints in die Französischen
Alpen, in die Toskana, kein noch so kleiner Pass
im Trentino den man nicht unter die Räder
genommen hat. Erhöhte Adrenalinwerte am damals
noch befahrbaren Tremalzo, quasi zum
zehnjährigen Jubiläum der Suzel.
1989 : als Dreißigjähriger durfte die
Investition für eine neue - maßgeschneiderte -
Lederkombi wohl nicht als Luxus betrachtet
werden.
Neben dem Verschleiß von etlichen Tacho und
Drehzahlmesserwellen wäre bis zur magischen
Hunderttausenderwende kaum ein nennenswerter
Defekt zu erwähnen gewesen, irgendwo zwischen
dem Col du Tende und Rom quittierte der Tacho
mit einem KM Stand von 96.000 den Dienst und
erst nach dem vom österreichischen Importeur
gesponserte Gratisservice, auf der Heimreise von
einer einwöchigen Deutschlandtour war es dann
soweit!10 Km vor der werkzeugstrotzenden Garage
verreckte die Gute nach einem 500 Km Tag und war
nur noch auf 2 Zylindern bereit, die Urlauber
die letzten Meter nach Hause zu tragen. Ursache:
Einer der beiden neu installierten Unterbrecher
erreichte nicht seine Planlebensdauer.
1997, während einer Tour entlang der
Dordogne bis Bordeaux, wieder einmal gibt die
Tachowelle zu Beginn einer Urlaubsreise den
Geist auf, steht in einem kleinen Ort irgendwo
in Frankreich die gleiche blaue 850er mit einem
handgeschriebenen Verkaufsschild, nach einigen
gedankenschwangeren Kilometern kehr ich um,
erkundige mich nach Preis, KM-Stand und
Telefonnummer und versuche zu vergessen. 2
Monate später findet die - wenn auch nicht mehr
mit allen Originalteilen bestückte -
Franzosensuzel als Ersatzteillager, nach 3.000
PKW-Anhängerkilometern in meiner Garage ein
neues Zuhause.
Zum Vierziger Ihres Besitzers steht der
nunmehr 150.000 Km alten Suzel
wieder eine Reise
nach Sardinien bevor. Allein beim letzten Check,
2 Wochen vor der Abreise stellt sich - wie auch
bei betagteren Menschen oft der Fall - eine
gewisse Inkontinenz ein - Öltropfen beim
Anlassen des Motors lassen die Urlaubsreise
weiter als über den üblichen Meereshorizont
schwinden. Ein rühriger ortsansässiger
Mechaniker (der ursprüngliche Verkäufer hatte
geschäftlich nicht die Ausdauer des von ihm
verkauften Produkts) rettete letztendlich die
Urlaubsreise indem er den bis dato ungeöffneten
Vierzylinder abdichtet und einen später in der
Ölwanne gefundenen Dichtring erneuert.
Ob es am Alter des japanischen Sauriers liegt
oder daran, dass in der eigenen Garage das
Motorradbasteln dem Ehealltag der Vorzug gegeben
wird, mag dahin gestellt bleiben. Die gute alte
Suzel läuft immer noch passabel, während
bayrische Freunde an ihren BMW`s bereits
Kardans, Ventiltriebe und sonstige Dinge, die an
einer BMW halt kaputt werden, gewechselt haben,
dennoch: der Serviceaufwand wird höher: die
Wartezeit auf Verschleißteile wie Bremsbeläge
etc. länger. Die Reifendimension ist rar, allein
die gewünschte Marke ist nicht sofort wenn
überhaupt erhältlich, denn das angejahrte
Fahrwerk gab und gibt sich nicht mit jeder
Mischung zufrieden.
Dezember 1998, im 20. Suzeljahr:
ein neues
Fernweh-Modell von Honda kommt auf den Markt:
Hochaufragend mit agressivem Blick aus dem
Doppelscheinwerfer steht die Varadero neben dem
altbackenen aber immer noch elegant wirkenden
Vierzylinder. Die Ingenieursarbeit von 2
Jahrzehnten lässt sich am ehesten noch im
Fahrwerk erahnen, ausreichende Leistung gab's
auch schon früher bei den Großvolumigen, dass
der Honda V2 aber gegenüber dem antiquierten Le
Mans V2 ein wahrer Säufer ist und nicht im
Standgas durch eine Ortschaft zu bewegen ist,
erstaunt doch. Die Leichtigkeit des Fahrens ist
es, die die Distanz zur alten Getreuen ausmacht
und einem eher auf das Neufahrzeug steigen
lässt. So werden die Ausfahrten mit der Suzel
rarer. Doch mittlerweile ist der Sohn im
mopedfähigen Alter und wer weiß, vielleicht
bekommt auch die Jugend nostalgische Ambitionen
und freut sich eines Tages, einen
altehrwürdigen Vierzylinder am Sonntag
ausfahren zu dürfen.
Kontakt: Peter
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