Dichtungen herstellen

Jeder hat das schon einmal erlebt: Es ist Samstag Abend, man will schnell noch mal die unvermeidliche Wartungsarbeit durchführen und die allerletzte Dichtung geht kaputt. Die geplante Tour am nächsten Morgen kann man abhaken. Wer aber Dichtungsmaterial und ein paar Hilfsmittel im Regal liegen hat, kann sich helfen. Hier beschreibe ich, wie es geht.
   

O-Ringe
Wer solch einen Satz besitzt, hat gute Chancen, einen passenden Ring herauszufischen. Aber Achtung: Häufig sind die Sätze ihr Geld nicht wert. Entweder sind die O-Ringe viel zu dick oder der Durchmesser ist nicht wirklich metrisch, sondern es sind umgerechnete Zoll-Werte. Lobenswerte Ausnahme sind die vom Zubehörhändler Louis.
Übrigens werden im Handel auch O-Ring-Sets (z.B. von Loctite) angeboten, mit denen man beinahe jeden Dichtring herstellen kann. Sie bestehen aus Gummisträngen verschiedener Stärke, einem kleinen Messer, einer Schneide- und Klebeschablone, sowie Spezial-Kleber.


Die Klebestellen sollten man übrigens nie Verdünnung oder Pinselreiniger behandeln, denn sie hinterlassen einen Film, der eine gute Verklebung verhindert.
Was aber, wenn der alte Ring ein Sondermaß hat und in der Mitte glatt durchgerissen ist? Ganz einfach:
Der Ring wird mit Aceton gut entfettet und mit handelsüblichem Sekundenkleber (Cyanacrylat-Klebstoff) repariert. Genauso kann man verfahren, wenn der vorhandene Ring einen zu großen Durchmesser hat. Man trennt mit einem Messer ein passendes Stück heraus und klebt ihn zusammen.
Auch unterwegs kann man sich so helfen, denn diese Klebstoffe gibt es an fast jeder Tankstelle.

Flachdichtungen
Müssen Flachdichtungen ersetzt werden, hat man ein wenig mehr Arbeit. Wichtig dabei ist, dass man sich vorher Rohmaterial besorgt hat, das es in Platten- oder Rollenform gibt. Auch sollte man die richtigen Materialien wählen, also entweder hochdruck- und temperaturfestes Papier oder Kork.
Bewährt haben sich ABIL-Dichtungspapiere namens von ELRING. Sie sind stabil bis ca. 100 °C und ca. 6 bar. Es gibt sie von 0,25 mm bis 4 mm Stärke. Hochdruckfestes Material gibt es sogar bis 400 °C und bis 100 bar.
Auch ölbeständiger gepresster Kork ist ein guter Werkstoff, den es in verschiedenen Stärken gibt. Er hält  etwa 150 °C aus, versagt aber bei höherem Druck. Er wird daher meist bei Ventildeckel- oder Oelwannendichtungen verwendet.
   

Kopie herstellen
Den ersten Arbeitsgang zur neuen Dichtung macht man am Besten, wenn man sich gerade eine neue gekauft hat. 
Sie wird entweder auf einem Kopierer oder ganz zeitgemäß mit Scanner und Drucker auf Papier übertragen. Dabei sollte man genau darauf achten, dass die Größenverhältnisse stimmen. Also nachher nochmal genau nachmessen!
Der Scanner hat übrigens noch den Vorteil, dass man das Ergebnis mit einem Bildbearbeitungsprogramm nachbearbeiten und eine Datei erzeugen kann, die man "für die Ewigkeit" speichern kann.
   
Archivieren
Die Kopie versieht man anschließend noch mit der Teilenummer und einer kleinen Beschreibung und druckt sich diese aus. Dann kommt das Blatt zusammen mit der Originaldichtung in eine Klarsichthülle in einen Ordner.
So hat man nach kurzer Zeit ein Klasse-Archiv aller wichtigen Dichtungen, kann Ordnung halten und verliert niemals die Übersicht.
Ist man so gut vorbereitet, kann es an die Fertigung einer neuen Dichtung gehen:
   
Material wählen
Zunächst wird die erforderliche Stärke mit einem Messschieber bestimmt und das richtige Material ausgewählt. Man sollte dabei sorgfältig vorgehen, denn wird zu dickes oder zu dünnes Rohmaterial verwendet, verändert sich später die Position der beiden Gehäuseteile zueinander und es kann zu Verklemmungen bzw. Spiel von Wellen und Lagern kommen, die in den Gehäusen gelagert sind. 
Sind keine Lagerstellen vorhanden, kann man auch auf abweichende Materialstärken zurückgreifen. Meist ist Material von 0,6 - 0,8 mm sinnvoll. Falls möglich, sollte man eine helle Dichtung nehmen, um die Form besser übertragen zu können. Schwarzes ist weniger optimal, denn es lässt sich nicht bedrucken.
Noch ein Hinweis zu Kork, dem klassischen Dichtungsmaterial. Wenn es nicht auf Originalität ankommt, sollte man es eher meiden und auf modernes Dichtungspapier zurückgreifen. Das ist auf Dauer dichter.
Und was macht man, wenn man unterwegs ist und kein passendes Dichtungsmaterial aufzutreiben ist? Zur Not tut es manchmal auch starkes Papier, Pappe oder das Material aus einer Getränkeverpackung (z.B. Milch oder Fruchtsäfte).

Form übertragen
Die PC-Besitzer unter uns können natürlich die oben erwähnte Datei einfach auf Dichtungspapier ausdrucken! Die meisten Drucker machen das mit.
In der Praxis hat man meist die alte, beschädigte Dichtung und keine Kopie  vorliegen. Also wird die alte Dichtung auf das Rohmaterial gelegt und dort mit Klebeband fixiert. Die Konturen und Löcher werden mit einem dünnen Stift übertragen. 
Recht einfach geht es auch, wenn man die alte Dichtung mit Öl bestreicht und wie einen Stempel auf Dichtungspapier drückt. Oder man legt die Dichtung auf das Papier und nebelt mit Sprühlack darüber, dann hat man ein tolles Negativabbild erzeugt.
Ist die Dichtung jedoch nur noch in Fragmenten oder gar nicht vorhanden, muss die Form des Gehäusedeckels übertragen werden. 
Die Verwendung von Touchierfarbe ist nicht empfehlenswert, weil zu ungenau. Viel besser ist die Hammer-Methode! Sie eignet sich aber nur für Papiere. Dabei wird die Dichtung auf das Gehäuse gelegt und mit einem Alu- oder Kunststoffhammer mit Gefühl (!) gegen die Konturen geklopft. Ist die Dichtung dünn, wird sie dabei bereits "zugeschnitten", ist sie dicker, wird ihre Kontur wenigstens übertragen.
Das Übertragen funktioniert auch über das Abreiben der Konturen mit einem Rundeisen (Verlängerung oder Nüsse aus dem Ratschenkasten).
Natürlich kann man auch die aktuelle PC-Technik verwenden und die oben erwähnte Datei direkt auf Dichtungspapier ausdrucken. Am Besten eignet sich ein Tintenstrahldrucker. Ein Laserdrucker hinterlässt zu viel Material auf dem Papier!
   

Bohrungen herausarbeiten
Als Erstes werden die Löcher hergestellt, denn jetzt ist die Dichtung noch sehr stabil und reißt nicht so leicht ein.
Man benutzt dazu ein passendes Locheisen und einen Hammer. Bei dickem Material gelingt dies besonders gut, wenn man eine Ständerbohrmaschine benutzt - aber nicht drehen lassen und "herausbohren", sondern nur stanzen! 
Sind die Locheisen nicht vorhanden, kann man sich eines aus Rohr herstellen, verwendet einen Kreisschneider oder greift auf die gute alte Schere zurück. Sehr gut geht auch die Kugelmethode: Man legt die Dichtung auf das Gehäuse
und auf die Stelle wo ein Loch entstehen soll, legt man eine große Lagerkugel. Wird diese vorsichtig in die Gehäusebohrung gehämmert, stanzt man ein perfekt passendes Loch in die Dichtung. Dabei ist ein weiches Brett (z.B. Fichte) als Unterlage beim Lochen vorteilhaft.
   
Konturen herstellen
Als Nächstes wird mit einer Schere oder einem Teppichmesser sorgfältig die Innenkontur ausgeschnitten. Erst ganz zum Schluss bearbeitet man die Außenkontur und hat schließlich eine funktionsfähige Dichtung. Dabei kann man übrigens recht großzügig mit 2 - 3 mm Zugabe arbeiten. Das Schneiden geht so schneller und die Dichtung ist stabiler. Wo es nicht stört, kann sie überstehen. An anderen Stellen schneidet man nach der Montage den Überstand mit einem Teppichmesser oder Skalpell weg.
   
Grundsätzlich sollte man mit jedem Arbeitsgang etwas vorsichtiger zu Werke gehen, denn die Dichtung wird immer empfindlicher. Einmal abrutschen und das Teil muss in den Abfall wandern!

Flüssigdichtungen

aus der Tube kann man in Verbindung mit Dichtpapier gut einsetzen, denn sie gleichen kleine Kratzer und Vertiefungen im Gehäuse aus. Es gibt sie beispielsweise von Elring, Teroson,  RoTech oder beim BMW-Händler (Typ "Drei-Bond"). Richtig angewendet, ermöglichen es diese Mittelchen, eine Dichtung mehrfach zu verwenden. Besonders Hylomar oder das teurere "Drei-Bond" wird in der Szene sehr gelobt.

Dichtungen aus Gummi
beispielsweise für Ventildeckel werden im Laufe der Zeit hart. Werner hat dafür einen Tipp: Weiterverwenden solange sie nicht einreißen. Die Ersatz-Gummidichtungen (z.B. von Athena) sind ihr Geld oft nicht wert. Sie funktionieren nach kurzer Zeit schlechter als die gerade ausgetauschte. Auch Orginaldichtungen sind oft überlagert und genauso alt wie das Moped, zumindest wenn sie nicht sehr oft verkauft werden. Gummidichtungen klebt Werner mit Hochtemperatur-Silkon (z.B. Dirko HT, rot) oder Uhu (schwarz) an den Deckel. Zusätzlich trägt er an den kritischen Stelle am Kopf (z.B. Halbmonde) noch etwas mit dem Finger auf - nicht zuviel, denn wenn sich auf der Innenseite überschüssiges Material herausdrückt, könnte das irgendwann den Ölkreislauf blockieren. So hält die Dichtung bei der Montage und der Kopf bleibt dicht. 

Das Ende der Fahnenstange...
ist für Hobbybastler jedoch bei Zylinderkopfdichtungen oder anderen armierten Dichtungen erreicht. Sie können nur vom Spezialisten nachgefertigt werden. Die "Oldtimer-Praxis" empfiehlt beispielsweise die Firma DS - Dichtungen A. Schwarz, Am Galgenbruck 12, 90613 Grosshabersdorf (Tel. 09105 - 9220, Fax 9230).

© Michael (11.04.15 )    [Start]