Wissenswertes bei Geräuschmessungen

Brüllrohr oder Flüstertüte, das ist oft die Frage. Immer wieder kommt es zu Sicherstellungen oder Beschlagnahmungen von Motorrädern beim Verdacht auf zu laute Schalldämpfer.
Werktags zu Geschäftszeiten wird der Halter von der Polizei meist zu Sachverständigen (TÜV, Dekra) begleitet, wo eine Geräuschmessung durchgeführt wird. Wenn alles in Ordnung ist, bleibt das kostenfrei für den Halter. Doch wenn nicht, wird's schnell unangenehm und teuer.
   
Hier haben wir daher einige Informationen zu den Grundlagen, Verfahren und Möglichkeiten bei einer Kontrolle in freier Wildbahn zusammengetragen. 

Bei einer Geräuschmessung "vor Ort" kann nur das Standgeräusch ermittelt werden, da die Messung des Fahrgeräusches ein kompliziertes Verfahren ist und mit den Mitteln der Polizei am Ort nicht möglich ist.

   
Grundsätzliches zum Schall
Der unter Ziffer 30 im Fahrzeugschein (oder Kraftfahrzeugbrief) angegebene Wert ist in dB(A) angegeben, die genormte SI-Einheit. Andere Angaben sind seit Ende der 60`er unzulässig.
Die dB-Einheit ist der Schalldruck in Dezibel, das (A) gibt die verwendete Frequenz-Bewertungskurve an.
Dieser Wert verhält sich logarithmisch, da der reine Schalldruck nicht aussagekräftig ist. Das bedeutet, dass 40 dB nicht doppelt so laut sind wie 20dB. Eine Steigerung von + 6 dB wird als etwa doppelt so laut empfunden.

Das alte Messverfahren
Wurde die Betriebserlaubnis für das Fahrzeug vor dem 01.Mai.1981 erteilt, wird die Geräuschmessung in verschiedenen Messungen, im Abstand von 7 Metern rund um das Fahrzeug durchgeführt. Die genau definierte Örtlichkeit muss einen reflektierenden Bodenbelag, keine Störgeräuschquellen und keine reflektierenden Flächen (Gebäude, Wälle, Zäune usw.) aufweisen. Achtet gut darauf und erhebt Widerspruch, wenn dies nicht der Fall ist
Die Messergebnisse werden ausgewertet und mit den Daten des Hersteller verglichen - die Stunde der Wahrheit hat geschlagen. 

Die "P"-Falle schlägt zu.
Das alte Verfahren gilt jedoch nur, wenn in den Fahrzeugpapieren hinter dem dB(A)-Wert ein "N" steht, was "Normal" oder "Nix" bedeutet. Steht dort ein "P", heißt das nicht etwa Phon, sondern "Proximity" also Nähe. Dann muss eine sogenannte Nahfeldmessung erfolgen.
Auch wenn das Fahrzeug länger als 18 Monate stillgelegt (§21 Erteilung einer neuen Betriebserlaubnis) oder durch Umbau eine Neuzulassung nach § 21 erforderlich wurde, ändert sich meist die Ziffer 30. Dann steht dort ebenfalls plötzlich ein "P". 
Bei Importen ist ebenso Vorsicht geboten. Wurde ein Motorrad beispielsweise 1980 in USA zugelassen und 1991 in Deutschland wieder zugelassen, dann steht logischerweise ein "P" im Brief. Denn es handelt sich um eine Neuerteilung der Betriebserlaubnis. 
Wenn alles gut geht, wird bei der Neuzulassung im KBA (Kraftfahrzeug-Bundesamt ) der alte Geräuschwert der Nahfeldmessung angepasst. Also bei z.B. 80 dB (A) in USA dann ca. 100 dB (A) P im deutschen Brief. Wenn nicht, stehen dann 80 dB (A) P und Du hast ein richtiges Problem.

Die problematische Nahfeldmessung
Hierbei muss mindestens 3 Meter Abstand von jedem Punkt des Fahrzeugs zur nächsten Erhebung vorhanden sein. Das Messgerät muss 0,5 Meter Abstand und 45° ( +/- 10°) zur Längsachse des Fahrzeugs haben. Und zwar auf Höhe der Lärmquelle, also in Höhe der verdächtigen Tüten.
Das Ganze erfolgt im Leerlauf, mit Halb-Gas und mit Gas zu. Für ganz Schlaue oder bei Motorrädern ohne Drehzahlmesser haben die Grünen oft eigene Drehzahlmesser dabei!
Es werden 3 Messungen mit nicht mehr als 2 dB (A) Abweichung gemacht und der höchste Wert gilt. Und das Schlimmste: Es gibt keine Toleranz!!!
Du hast ein Fahrzeug mit "N"-Zusatz und protestierst lauthals gegen die "P"-Messung? Keine Chance: Die Verkehrsüberwacher werden meist trotzdem eine Nahfeldmessung durchführen, da das alte Verfahren so mal eben nicht möglich ist. 
Das Messergebnis muss dann jedoch auf die 7 Meter Abstand umgerechnet werden! Geht man von einer Abnahme des Schalldruckpegels bei 2 Metern Abstand von - 6 dB (A) aus ergibt sich bei 6,5 Metern fast 20 dB (A). Das wäre bei eingetragenen 83 dB (A) dann so um 104 erlaubte dB (A) mit Toleranz des Messgerätes.

Der richtige Umgang mit der Messtechnik ist also nicht so einfach. Ob die jeder "Freund und Helfer" beherrscht und ob das Messgerät auch richtig kalibriert wurde, kann oftmals bezweifelt werden. Wer hier nicht hartnäckig bleibt, ist sein geliebtes Moped erstmal los.

Sicherstellung und Beschlagnahmung
Beim Verdacht der Polizei auf manipulierte oder zu laute Auspuffanlagen ziehen die Beamten heute oft das ganze Fahrzeug zur Beweissicherung ein. Entweder mit Zustimmung des Halters, dann ist das eine Sicherstellung oder eben ohne dessen Zustimmung, dann ist das eine Beschlagnahmung. 
Wenn eine Beschlagnahmung erfolgt, muss diese innerhalb von 3 Tagen durch einen Richter bestätigt werden. Am besten sofort einen Anwalt einschalten, wenn ein Fahrzeug eingezogen werden soll. Noch besser ist es, den Anwalt zu fragen, bevor der Fall eintritt.
Normalerweise liegt, wenn ein Fahrzeug zu laut ist, nur eine Ordnungswidrigkeit nach § 49 StVZO vor. Und die rechtfertigt eigentlich keine Beschlagnahmung bzw. Sicherstellung. Also kann der Anwalt möglicherweise helfen!

Dieser Abschnitt basiert auf einem Artikel von Dirk, der mir die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung gegeben hat. Ich habe ein paar Anmerkungen ergänzt. Natürlich können wir keine Gewähr auf die Richtigkeit der Angaben geben.

   
© Dirk, Michael (15.06.05 )    [Start]