SUZUKI GS 650 G - Fahreindrücke

Die Suzuki GS 650 G erregte 1981 Aufsehen und Widerspruch zugleich - entweder man liebte das gemäßigte Katana-Design oder lehnte es ab. Aber die Neue hatte nicht nur ein neues, schickes Outfit, sondern war eine von Grund auf neu konstruierte Maschine. 
Um den neuen Vierzylindermotor wurde auch ein neues Fahrwerk gebaut: Ein solider Doppelschleifen-Rahmen mit  kegelrollengelagerter Schwinge in deren linken Holm der Kardanantrieb geführt war, eine großdimensionierte Telegabel und die vielfach verstellbaren hinteren Federbeine. Diese Mischung ergab eine richtig "scharfe Klinge".
Herzstück - der neue Motor
Der 650er-Motor, lediglich ein Zweiventiler, gehörte keineswegs zum "alten Eisen", obwohl Suzuki gleichzeitig mit der GSX  eine modernere Baureihe von Vierventilern bot. Durch die Ultrakurzhub-Auslegung des Kurbeltriebs blieb die mittlere Kolbengeschwindigkeit auch bei der Maximal-Drehzahl im unkritischen Bereich von 17,7 m/s. Die DOHC-Nockenwellen betätigten über Tassenstößel direkt die Ventile. So war der Motor äußerst unempfindlich gegen hohe Drehzahlen und zum Einstellen des Ventilspiels mußten die Nockenwellen nicht ausgebaut zu werden. 
Der neue "Twin Dome Combustion Chamber (TDCC)" ergab um jedes Ventil einen Kugelraum, mit denen nicht nur die Gasströme besser gesteuert wurden. Ausgeprägte Quetschkanten drückten das Frischgas gezielt zur mittigen Kerze. Zusammen mit leicht gewölbten Kolbenböden und einer Verdichtung von 9,4 ergab sich die hohe Leistung von 73 PS bei geringem Verbrauch.
Pleuel und Kurbelwelle waren gleitgelagert, die Primärübersetzung erfolgte über schrägverzahnte Stirnräder. Der Schmierkreislauf über eine leistungsfähige Trochoiden-(Kreiskolben-)pumpe drückte das Öl zu allen möglichen Schmierstellen. Der serienmäßige Ölkühler sorgte für zivile Temperaturen - wichtig für die Lebensdauer der Maschine.
Die Abstimmung des Triebwerks war rundum geglückt. Der Vierzylinder lief vibrationsarm und vermittelte eine beeindruckende Art der Leistungsabgabe. Schon bei 2000 - 3000 U/min nahm er willig Gas an, ohne sich zu verschlucken. Bei 5500 U/min setzte ein kräftiger Leistungsschub ein, der konstant blieb bis zur Höchstdrehzahl von 9500 U/min. Das Ganze wurde durch eine kontaktlos gesteuerte Transistorzündung mit Hall-Gebern befeuert, die keine Einstellung erforderten.
Wieselflinke Leistung, normaler Durst
Die Fahrleistungen lagen auf einem hohen Durchschnitt. Bis zur 100 km/h-Marke braucht die Katana nur 5,1 sec und in 13,2 sec waren die 400 Meter zurückgelegt. Aufrechtsitzend erreichte sie 188 km/h, langliegend waren sogar 194 km/h drin.
Dennoch hielt sich der Benzindurst in den damals üblichen Grenzen: Im Test schlürfte sie bei zügiger Fahrweise knapp unter 9 Liter/100 km, beim gemütlichen Bummeln begnügte sie sich mit 6 Litern und der Schnitt lag bei 7,8 Liter/100 km. So reichte der 23 Liter-Tank für etwa 250-300 km.
Aufwendiger Antrieb
Die Mechanik im Motor waren groß dimensioniert. Der Kupplungskorb lief in Nadellagern und die Betätigung der Kupplung über ein Zahnsegment und eine Zahnstange war grundsolide. Das Fünfganggetriebe war Suzuki-typisch völlig problemlos, gut gestuft und leicht zu schalten.
Die mit hohen Kräften beaufschlagte Umlenkung für die Kardanwelle bekam am Kegelrad ein Doppelkugellager, ein Einfachkugellager an der Ruckdämpferwelle und schließlich zwei gegeneinander verspannte Kegelrollenlager auf der Abtriebswelle. 
Der Kardanantrieb - von der GS 850 übernommen, aber hier vom Motoröl direkt mitversorgt - glänzte durch nicht vorhandene Lastwechselreaktionen und man glaubte, eine Kettenmaschine zu fahren. Voll überzeugen konnte die doppelte Torsionsdämpfung am Primärantrieb und am Getriebeausgang: Auch wenn ohne Zwischengas hart heruntergeschaltet wurde, blieb das Hinterrad satt auf der Straße.
Stabiles Fahrwerk
Die Tester konnten also in bezug auf die Fahreigenschaften, die zum sportiven Charakter dieses Motorrads paßten,  nicht meckern. In beinahe jeder Situation meisterte sie langgezogene schnelle und enge Kurven gleichermaßen souverän, ohne unruhig zu werden. Nur bei großen Schräglagen konnte man die Fußrasten kratzen lassen. Das kam schon mal vor, denn die Katana gehörte zu den handlichen Motorrädern, die ohne übermäßigen Kraftaufwand auch auf kurvigen Strecken schnell bewegt werden konnte - obwohl sie 238 kg auf die Waage brachte. 
Der einwandfreie Geradeauslauf ging auf das Konto einer gelungenen Fahrwerksabstimmung. In spitzem Winkel angefahrene Straßenbahnschienen ließen sie völlig kalt, der Fahrer merkte sie kaum. Nur bei Höchstgeschwindigkeit quittierte sie ausgeprägte Rillen mit einem kurzen, trockenen Schlenker.
An der hydraulischen Telegabel mit 150 mm Federweg und den 5-fach verstellbaren hinteren Federbeinen mit 100 mm Federweg gab's auch nichts zu beanstanden. Eine echte Besonderheit war zudem, dass sich die Zugstufe der straff abgestimmten Dämpfer noch 4-fach verstellen lies. Das sollte für alle individuellen Abstimmungen ausreichend sein, allerdings nur solange bis die Federbeine verschlissen waren. Der Wechsel auf Koni-Dämpfer, die die Heckpartie präziser führten, war daher eine übliche Maßnahme.
Bremsen mit Gefühl
Die Suzi war vorne mit zwei geschlitzten Scheibenbremsen und hinten mit einer Einfachscheibe ausgerüstet. Letztere war mit Vorsicht zu genießen, denn bei gefühlloser Betätigung stand das Hinterrad sofort. War die hintere Scheibe noch giftig, so galt die vordere in puncto Verzögerung und Dosierbarkeit als vorbildlich gelungen, denn auch bei Nässe gab es selten Grund zur Klage.
Licht und Schatten beim Arbeitsplatz
Die tiefe Sitzbankkuhle der Katana und der sehr weit vorn angebrachte Lenker zwangen in eine sportliche Sitzhaltung, die nicht jedem zusagte. Große Fahrer ab 1,80 Meter hatten auf keine Probleme und saßen genau richtig. Kurzgewachsene mußten sich nach dem Lenker strecken hatten hingegen Schwierigkeiten, bequem zu sitzen. Auch die Sitzposition hinten war nicht jedermanns Sache, denn dort thronte der Sozius . auf höheren Bankhälfte immer in einem ungewöhnlich großen Abstand zum Fahrer.
Die Instrumente lagen gut im Blickfeld, zeigten ruhig und genau an. Die Signalleuchten und die Ganganzeige zwischen Tacho und Drehzahlmesser waren gut zu erkennen. Schalter und Hebel liegen gut zur Hand. Nur der filigrane kombinierte Blinker-Fernlicht-Schalter war etwas kompliziert zu bedienen, besonders mit dicken Handschuhen. Der Choke, günstig in der Mitte vor dem Lenker plaziert, war durch eine schlechte Klemmung stets schwer zu dosieren. Die großen Rückspiegel und das serienmäßige H4-Licht gaben hingegen Sicherheit. Etwas ärgerlich war, dass unter der abnehmbaren Sitzbank sich kein zusätzlicher Stauraum befand. Lediglich das mickrige Bordwerkzeug hatte konnte hineingezwängt werden.
Alles in allem 
war die GS 650 G ein erstklassiges Allroundmotorrad mit sportlichem Charakter, das auch fürs Touren taugte. Dennoch tat sich Suzuki schwer, größere Stückzahlen an den Kunden zu bringen. So war sie beispielsweise der zeitgenössischen Yamaha XJ 650 mindestens ebenbürtig, aber den meisten Käufern tat es schon sehr weh, für die Katana 1800 Mark mehr auf die Theke zu legen. 
Es sei denn, beim Anblick der wunderschönen Geisha setzte der Verstand aus und man verlor die Kontrolle über sein Scheckbuch - und das ging dann doch einigen eingefleischten Fans so.

Fotos: Herzog (für die Veröffentlichung liegt mir die freundliche Genehmigung des Motor-Presse-Verlags vor)
© Text: Michael (04.10.03 )    [Start]