Peters Hommage an die GS 850

Bereits im Fahrradalter hatte ich die Vision, dass meine Zukunft irgendwie mit einspuriger Fortbewegung zusammenhängen wird. Das erste 50 cm³ Moped hatte schon eine bequeme Sitzbank und war kein plärrender Hochleister wie die Yamahas, die mit den schmalen Kühlrippen, und kein 100 km/h Killer wie die orangen Zündapps, die KTM mit dem sirrenden Sachsmotor war um ATS 2.000 teurer als der 5 PS made in Austria und somit für meinen Ferienjoberlös eben um die 2 Scheine zu teuer. 
Damals produzierte KTM noch an der "unteren Leistungsebene", verglichen mit den kleinen Trieblingen aus Fernost und Deutschland.   

   
Mit 18 dann das erste richtige Motorrad, 
eine Honda 400Twin mit 43 PS! Wir waren die Kings of the Road. Jeden Freitag nach Dienstende zwängte sich der junge frischgebackene Bankangestellte in die viel zu enge Dainese-Lederkluft, den leuchtorangenen Römer-Pneu aufgesetzt und ab auf den Asphalt. 1977 schrieb Manfred Mann "Dave's on the Road again". 
Das Lehrgeld für den Zweikampf mit einem Automobilisten beschränkte sich zum Glück nur auf 's Material. Alle 14 Tage erschien "Das Motorrad", der Trafikant auf dem Weg in meine Arbeitsstelle kannte mich bereits. Die etwas Älteren fuhren damals Tausender, Gold Wings und F1 und F2 von Honda, die schnellen Kawas und die noch Reiferen: BMW R 90 RS
Dann war da ein Bericht im MOTORRAD über einen Erlkönig von Suzuki, ein unscharfes Bild, man schätzte zwischen 750 und 1000 ccm und vor allem ein Kardan. Mein erster Gedanke: ...wenn die in Serie ginge, das wär's.... Ich sammelte Berichte in allen einschlägigen Blättern, von den Erstvorstellungen, den ersten Fahrberichten der SUZUKI GS 850 und im September 78 war's dann soweit. 

Die Honda wurde eingetauscht gegen einen Vierzylinder mit 78 PS, 
etwas gewichtig zwar, aber ein Langstreckler halt und jedenfalls sportiver als die braven BMWs und die noch gewichtigere Gold Wing. Die Ehrfurcht vor der Leistung, die turbinenartige Motorcharakteristik, dieser Moment als ich "meine SUZEL" nach Hause fuhr ist mir heute noch gegenwärtig.
Die noblen 35l Krauserkoffer schmuggelte man damals aufgrund der aufrechten Grenzen und der bestehenden Einfuhrbestimmungen noch vom nahen Bayrischen Piding ins österreichische herüber, irgendwelche Pickerl drauf, mit Tempo durch die Drecklatsche (Pfütze) gefahren und mit ein bisschen Herzklopfen am Zöllner vorbei.

Die ersten Reisen mit Zelt und Schlafsack 
führten uns über die klassischen Pässe der Schweiz nach Frankreich, Italien, ins damals noch vereinte Yugoslawien, Korsika, Ostern auf Elba, zum Todestag Tito's sorgte ein japanischer Vierzylinder im Hafen von Rijeka noch für einen Volksauflauf. Der Besuch eines kleinen Motorradtreffens in der Schweiz - in einem 1600 m hoch gelegenen Berggasthof in Schwyz, alljährlich in der zweiten Oktoberhälfte - wurde zum liebgewonnenen Jahresabschluss - vom warmen Fön bis zu eingeschneiten Motorrädern reichte die Palette der Witterung.
Damals war eine Jahresleistung von 10.000 km die Regel. Die Inntalautobahn war grad im Bau, überhaupt: straßenbauliche Aktivitäten die man damals nur nebenbei registrierte sind heute selbstverständliche Streckenführung. Erinnerlich war da noch ein Werbespot von KAWASAKI, wo ein rasensprengender Hausbesitzer angesichts einer geparkten Vierzylinder KAWA die Welt um sich herum vergisst, damals waren das noch Träume von denen ich dachte, dass Sie für mich nie in Erfüllung gehen würden und plötzlich ist man mittendrin in diesen Visionen.

1983 entdecke ich eine neue Zeitschrift am Markt, nicht mehr so leistungsorientiert wie das MOTORRAD, sondern mehr auf Reisen und Tests von tourentauglichen Motorrädern spezialisiert. Überhaupt waren die Testberichte damals so eine Sache. Oft hatte ich das Gefühl, ich hätte das einzige Motorrad, das bei welligem Straßenbelag jenseits der 100 km/h zu wackeln beginnt. In den Berichten der MOTORRAD-Tester war immer nur von leichten Fahrwerksunruhen die Rede, war ich denn ein Einzelfall, dass meine 65 kg nicht in der Lage waren ein 200 Sachen schnelles Motorrad schon bei 120 km/h Kurven halbwegs auf Kurs zu halten? Ich erinnere mich, dass ich wirklich haderte, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Freilich, als eine BMW R 90 S - die vom Poster in meine Jugendzimmer - mich auf der Autobahn in meinen 127er FIAT überholte und auf der Mittellinie gehörig ins Wackeln kam, war mir meine SUZEL wieder gut, aber trotzdem, warum konnte ein Freund mit seiner Laverda - wenn Sie zum Laufen kam- eine der berühmten Fahrwerkskurven mit 160 durchfahren, womöglich noch einhändig und meine gute SUZEL fängt an der bewussten Stelle schon bei 120 zum wackeln an...? Die Lösung diese Fahrwerksproblems war nicht in den schon nach 30.000 km montierten Konis zu finden, sondern darin, dass ich von einem Bekannten eine Guzzi Le Mans III erwarb und forthin die Aufgabenbereiche klar trennen konnte: die GUZZI zum schnell fahren und schrauben, die SUZEL zum Reisen und Kilometer schinden. .

Bedingt durch den Familienzuwachs 
war die bequeme Sitzbank in Folge nur einsitzig belegt, schnelle Wochensprints in die Französischen Alpen, in die Toskana, kein noch so kleiner Pass im Trentino den man nicht unter die Räder genommen hat. Erhöhte Adrenalinwerte am damals noch befahrbaren Tremalzo, quasi zum zehnjährigen Jubiläum der Suzel.
1989 : als Dreißigjähriger durfte die Investition für eine neue - maßgeschneiderte - Lederkombi wohl nicht als Luxus betrachtet werden.

Neben dem Verschleiß von etlichen Tacho und Drehzahlmesserwellen wäre bis zur magischen Hunderttausenderwende kaum ein nennenswerter Defekt zu erwähnen gewesen, irgendwo zwischen dem Col du Tende und Rom quittierte der Tacho mit einem KM Stand von 96.000 den Dienst und erst nach dem vom österreichischen Importeur gesponserte Gratisservice, auf der Heimreise von einer einwöchigen Deutschlandtour war es dann soweit!10 Km vor der werkzeugstrotzenden Garage verreckte die Gute nach einem 500 Km Tag und war nur noch auf 2 Zylindern bereit, die Urlauber die letzten Meter nach Hause zu tragen. Ursache: Einer der beiden neu installierten Unterbrecher erreichte nicht seine Planlebensdauer.

1997, während einer Tour entlang der Dordogne bis Bordeaux, wieder einmal gibt die Tachowelle zu Beginn einer Urlaubsreise den Geist auf, steht in einem kleinen Ort irgendwo in Frankreich die gleiche blaue 850er mit einem handgeschriebenen Verkaufsschild, nach einigen gedankenschwangeren Kilometern kehr ich um, erkundige mich nach Preis, KM-Stand und Telefonnummer und versuche zu vergessen. 2 Monate später findet die - wenn auch nicht mehr mit allen Originalteilen bestückte - Franzosensuzel als Ersatzteillager, nach 3.000 PKW-Anhängerkilometern in meiner Garage ein neues Zuhause.

Zum Vierziger Ihres Besitzers steht der nunmehr 150.000 Km alten Suzel 
wieder eine Reise nach Sardinien bevor. Allein beim letzten Check, 2 Wochen vor der Abreise stellt sich - wie auch bei betagteren Menschen oft der Fall - eine gewisse Inkontinenz ein - Öltropfen beim Anlassen des Motors lassen die Urlaubsreise weiter als über den üblichen Meereshorizont schwinden. Ein rühriger ortsansässiger Mechaniker (der ursprüngliche Verkäufer hatte geschäftlich nicht die Ausdauer des von ihm verkauften Produkts) rettete letztendlich die Urlaubsreise indem er den bis dato ungeöffneten Vierzylinder abdichtet und einen später in der Ölwanne gefundenen Dichtring erneuert.

Ob es am Alter des japanischen Sauriers liegt oder daran, dass in der eigenen Garage das Motorradbasteln dem Ehealltag der Vorzug gegeben wird, mag dahin gestellt bleiben. Die gute alte Suzel läuft immer noch passabel, während bayrische Freunde an ihren BMW`s bereits Kardans, Ventiltriebe und sonstige Dinge, die an einer BMW halt kaputt werden, gewechselt haben, dennoch: der Serviceaufwand wird höher: die Wartezeit auf Verschleißteile wie Bremsbeläge etc. länger. Die Reifendimension ist rar, allein die gewünschte Marke ist nicht sofort wenn überhaupt erhältlich, denn das angejahrte Fahrwerk gab und gibt sich nicht mit jeder Mischung zufrieden.

Dezember 1998, im 20. Suzeljahr: 
ein neues Fernweh-Modell von Honda kommt auf den Markt: Hochaufragend mit agressivem Blick aus dem Doppelscheinwerfer steht die Varadero neben dem altbackenen aber immer noch elegant wirkenden Vierzylinder. Die Ingenieursarbeit von 2 Jahrzehnten lässt sich am ehesten noch im Fahrwerk erahnen, ausreichende Leistung gab's auch schon früher bei den Großvolumigen, dass der Honda V2 aber gegenüber dem antiquierten Le Mans V2 ein wahrer Säufer ist und nicht im Standgas durch eine Ortschaft zu bewegen ist, erstaunt doch. Die Leichtigkeit des Fahrens ist es, die die Distanz zur alten Getreuen ausmacht und einem eher auf das Neufahrzeug steigen lässt. So werden die Ausfahrten mit der Suzel rarer. Doch mittlerweile ist der Sohn im mopedfähigen Alter und wer weiß, vielleicht bekommt auch die Jugend nostalgische Ambitionen und freut sich eines Tages, einen altehrwürdigen Vierzylinder am Sonntag ausfahren zu dürfen.

Kontakt: Peter

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