Der Motorradgruß
Beobachtungen von Christian Schärli
Wie grüßt man richtig, kann
man es lernen oder ist ein angeborener
Motorradfahrerreflex? Und wenn, fehlt dann bei den
Nichtgrüßern das entscheidende Grußgen? Kann man das
schon im Mutterleib feststellen und ändern, z.B. durch
die Einnahme von täglich 2 Löffeln Synthetiköl? Oder
muss in langjähriger harter Arbeit auf einer
Grußschule das Defizit ausgemerzt werden?
Wissenschaftliche Studien anhand von freiwilligen
Grußprobanden haben ergeben, dass man zwischen 8
Kategorien des Grüßens unterscheiden muss.
1. Die Coolen:
Lümmeln meist gekonnt in stundenlang eingeübter Pose
mit dem Ellenbogen auf dem Tank. Gern werden dabei auch
nur die äußersten Fußspitzen auf die Rasten gestellt,
so dass es zum so genannten Frosch - Lümmeln kommt.
Kommt dann ein Motorradfahrer entgegen, geht die Hand, 2
Finger meist ausgestreckt, lässig in Richtung Helm. Ein
kleines Nicken noch und der Lümmler fällt zurück in
die Ausgangsposition.
2. Die Schüchternen (aber
auch die Dankbarsten):
Unsicher warten sie auf ein Zeichen. Keinesfalls
möchten sie sich blamieren, indem sie grüßen und der
andere es vielleicht nicht erwidert. Wird der
Schüchterne allerdings zuerst gegrüßt, ist die Freude
groß und dankbar grüßt er zurück, oft mit vollem
Körpereinsatz: Nicken, Hand, Fuß oder auch mit Zuruf -
und das alles gleichzeitig.
3. Die Immer-Grüßer:
Nach dem Motto "komme was wolle, ich grüße
immer" zieht er seine Runden. Und das meint er
völlig ernst. In Schräglagen, die Kniepads schleifen,
die Fußrasten setzen auf, viel Verkehr, eine Ölspur
voraus? Kein Problem, es wird in jedem Fall gegrüßt,
schließlich wurde es jahrelang bis zur Perfektion
trainiert. Der Immergrüßer nimmt auch keinerlei
Rücksicht auf Typ, Marke, Alter des entgegenkommenden
Motorrades. Alles was 2 Räder hat, beschenkt er mit
kollegialer Aufmerksamkeit.
4. Die Vielleicht-Grüßer (Vigrüs):
Die Vielleichtgrüßer, auch Vigrüs genannt, beäugen
erst skeptisch das Vehikel des Grüßungsanwärters.
Wenn alles in dem wachsamen Auge des Vigrüs Zustimmung
findet, sprich, es ist das richtige Rad, die richtige
Kleidung, das richtige Tempo, die richtige Lautstärke
etc. wird anerkennend gegrüßt. Nur ist es dann meist
zu spät, der andere längst über alle Berge.
5. Die Abklatscher (oft
Enduristen):
Meist verbergen sich darunter echte Frohnaturen und
Entertainer. In der Schule oft der Klassenclown gewesen
bemühen sie sich auch auf der Strasse dieses Image
beizubehalten. Das sie durch ihre ruckartigen,
ausholenden Bewegungen zuweilen andere Biker
verschrecken, die ein Angriff auf Leib und Leben
befürchten, stört sie nicht weiter. Wenn es nach ihnen
ginge, würden sie jedem entgegenkommenden
persönlich die Hand schütteln.
6. Die Zwinkerer (oft
Anfänger):
Unsicher, die beiden Hände fest an den Lenker
geklammert, vollauf beschäftigt mit Gas, Bremse und
Kupplung, versuchen sie durch kräftiges Augenzwinkern
das Grüßen zu erwidern. Sehr Mutige spreizen auch
schon mal den ganzen kleinen Finger vom Lenker ab und
freuen sich dann wie Schneekönige über die geglückte
Aktion.
7. Die Um-des-Grüssens-Willen-Fahrer
(Grüwis):
Ein echter Hardcoregrüßer. Meist nur bei schönem
Wetter anzutreffen (bei Regen gibt's ja weniger, die man
grüßen könnte) schleicht er extra langsam durch die
Gegend, um ja keinen Grußkandidaten zu übersehen. Vor
der Tour wird noch die am stärksten frequentierte
Motorradstrecke ausgeguckt und los geht es. Potentielle
Grußopfer so weit das Auge reicht. Der Grüwi ist in
seinem Element. Wenn er abends nach Hause kommt und die
linke Hand schmerzt, war es ein guter Tag. Wenn sie nicht
schmerzt, dürfen seine Mitmenschen das ausbaden und sich
tagelang Triaden anhören, dass das Motorradfahren nicht
mehr das ist, was es mal war. Ja früher war alles
besser, früher war alles gut, da hielten alle noch
zusammen .... da wurde man noch gegrüßt. Nie wird
er müde sich über andere "Stoffel", die ihn
nicht gegrüßt haben, zu beschweren.
8. Die Nichtgrüßer (oft
Wehrdienst- oder Totalverweigerer):
Stur den sonnenbebrillten Blick geradeaus gerichtet,
verweigert er zivilen Gehorsam und den Bikergruß. Sein
Haupt krönt oft ein Jethelm. Er ist ein Rebell, ein
Individualist, ein James Dean der Biker, der sich in
keine Schublade stecken lassen will. Meist hatte er eine
dominante Mutter. Unbeugsam trotzen sie den Regeln,
schließlich waren alle anderen noch Quark im
Supermarktregal oder ein Glitzern im Auge von Papa, als
er längst eine Harley sein Eigen nannte.
In keine Kategorie einzuordnen waren die Streetfighter.
Meist Psychopathen, das Visier schwarz wie ihre Seele,
oft mit Totenkopfairbrush auf dem Helm, winken sie nach
Gutdünken, wenn sie gut gelaunt sind oder das Gegenüber
grußwürdig finden. Ihre Grüße werden immer erwidert.
Allerdings mehr aus Angst, dass dieser Soziopath bei
Verweigerung eine Knarre zieht und sich rächt. ;-)
Was wollen wir mit dem
ganzen eigentlich sagen? Keine Ahnung .... alles nur
Spaß!
Dieser Artikel stammt von Christian Schärli aus der Redaktion von motoworld.ch. Mein Dank für die freundliche Genehmigung zur
Veröffentlichung dieser Zeilen geht an den humorvollen Autor.
Michael (21.03.04
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