Gaswerk:
Fehlersuche, Restauration und Instandhaltung von Gleichdruckvergasern

Von Beate Buckert

Tulpen und Narzissen setzen fröhliche Farbtupfer in die Welt, die Sonne grinst und die Hormone schlagen Purzelbäume - glückselige Zufriedenheit wärmt des Bikers Herz, als er das vielversprechende Lächeln einer hübschen Blondine erhascht, sich auf den chromblitzenden Bock schwingt, und seiner geballten Männlichkeit durch einen mächtigen Tritt auf den Kickstarter Ausdruck zu verleihen sucht. Doch statt satt blubbernder Vibrations entweicht lediglich ein laut knallender Furz aus dem Endrohr, und neuerliche Bemühungen des inzwischen schweißgetränkten Bikers, steigern das ganze lediglich zu einem erbärmlichen Furz-Stakkato.
Während sich die Blondine gelangweilt abwendet, manifestiert sich in seinem Hirn: es gibt ein Problem, und es klingt verdammt nach Vergaser. Graue Wolken verdunkeln die Sonne - ein Anflug von Panik schießt ihm durchs Hirn: kann er den Fehler orten? Und als die aufgekeimten Frühlingsgefühle schon wieder dahinwelken, beschleicht ihn ein unheimlicher Gedanke: krieg ich das allein in den Griff?
Zugegeben, der Vergaser an und für sich ist ein Stück Technik, dass sich mitunter für wutvoll in die Ecke geschleuderte Schraubenschlüssel verantwortlich zeichnen darf. Dass diverse Übeltäter Probleme verursachen können, macht die Angelegenheit auch nicht einfacher. Aber wenn man die Problematik mit System angeht, lässt sich schon vieles in der heimischen Werkstatt bewältigen.
Dabei stellt die Fehlersuche das erste Hindernis dar. Leider lassen sich hier keine einfachen Regeln aufstellen, die gleiche Ursache zeigt bei unterschiedlichen Modellen nicht unbedingt auch die gleiche Symptomatik. Das Thema, mit dem wir uns hier beschäftigen ist derart komplex, dass damit bereits ganze Lehrbücher gefüllt worden sind. Darum sei der Hinweis erlaubt, dass wir euch hier nur das lebenswichtigste an die Hand geben können. Bevor wir allerdings in die Abgründe der Fehlersuche eintauchen, wollen wir kurz einen Blick auf die Technik des Gaswerks werfen.
  

Technik
Entgegen der landläufigen Meinung macht der Vergaser seinem Namen keine Ehre. Dort wird nämlich das Gas-Luft-Gemisch nicht vergast, sondern lediglich verwirbelt, bevor es dann im Brennraum des Motors durch Kompression und Hitze zu Gas wird.
Beim Gleichdruck- oder Unterdruckvergaser, mit dem wir uns in unserem Beispielfall beschäftigen, geben wir Gas indem wir über einen Seilzug die Drosselklappe öffnen. Durch den daraus freigegebenen Unterdruck bewegt sich der Gasschieber nach oben, und gibt den Weg frei für das
Benzin, das über diverse Düsen und Kanäle in der gleichzeitig angesaugten Luft zerstäubt wird. Bei Schiebervergasern wirkt der Seilzug direkt auf den Schieber.
Die Gemischzusammensetzung wird dabei zu etwa 1/8 des Gasschieberweges von der Leerlaufdüse, 1/8 bis ¼ vom Schieberausschnitt und ¼ bis ¾ von der Düsennadel bestimmt. Die Hauptdüse wird erst im letzten Viertel des Gasschieberweges voll wirksam.
Diese Prozedur läuft in einen Höllentempo ab. Bis zu 100 Litern Luft werden bei großvolumigen Motorradmotoren pro Sekunde durch den Vergaser gehetzt, und landen mit Überschallgeschwindigkeit im Zylinder. Dass muss auch so schnell gehen, denn pro Einlasstakt stehen nur 3 Tausendstel Sekunden zur Verfügung. Und nur ein halbes Tausendstel weniger braucht der Kolben, um die explosive Mischung auf etwa ein zwölftel seines Volumens zusammen zu pressen.
Bei diesen granatenartigen Geschwindigkeiten, kommt man nicht darüber ins Staunen, dass selbst kleinste Fehler enorme Unruhe ins System bringen können.

Fehlersuche und Restauration
Es soll ja Leute geben, die ein halbes Motorrad zerlegen, bevor sie feststellen, dass gar kein Sprit mehr im Tank ist. Solche banalen Fehlerquellen mal ausgeschlossen, kommt man meist nicht umhin den Vergaser zu zerlegen. Dazu sollte man sich in jedem Fall mit den technischen Daten, sowie einer modelspezifischen Schnitt- oder Explosionszeichnung bewaffnen.
Grundsätzlich kann man bei der Fehlersuche zwei Verursacher für unschöne Vergasergebaren ausmachen: Verschmutzungen und / oder mechanische Defekte. Wobei Rückstände im Vergaser die weitaus häufigste Ursache sind. In der Regel outen sie sich dadurch, dass der Bock schlecht oder gar nicht anspringt und Fehlzündungen produziert.
Dabei sind manche Verschmutzungen hausgemacht, und ließen sich durchaus vermeiden. Geht ein Motorrad in die wohlverdiente Winterpause, sollte man es nicht ohne Sprit im Tank stehen lassen, da ansonsten den Rostblüten die Arbeit enorm erleichtert wird. Der feine "Blütenstaub" lässt sich auch vom Siebfilter im Tank nicht davon abhalten, seinen Weg in den Vergaser zu finden. Zusätzlich am Benzinschlauch angebrachte Papierfilter können oft schon Erfolg bringen. Also am besten sicherstellen, dass nicht zuviel Dreck im Tank ist. Ist die Verrostung aber schon hochgradig fortgeschritten hilft nur noch Entrosten. Am besten mit anschließender Tankversiegelung.

Auch sollte man vor längeren Standzeiten grundsätzlich die Schwimmerkammer ablassen. Schon nach zwei bis drei Monaten kann der Sprit harzig werden. Je länger er ruht, desto mehr mutiert der Lebenssaft zu einer zäh-klebrigen Masse, die stark an Pattex erinnert.
Oft hilft schon eine gründliche Reinigung mit Vergaserreiniger oder Waschbenzin, um der Verschmutzung Herr zu werden. Hierfür muss der Vergaser zerlegt werden. Mit besonderer Sorgfalt sollten die winzigen Kanäle und Düsen, mit einem Bohrungsdurchmesser von wenigen hundertstel bis zehntel Millimeter, bei der Reinigung bedacht werden. Naturgemäß setzen sie sich am ehesten zu. Abschließend muss der Vergaser einer ordentlichen Druckluftbehandlung unterzogen werden.
Ist damit aber immer noch nicht dem letzten Dreck der Garaus gemacht worden, hilft nur noch eins: die Ultraschallreinigung. Hier lässt eine spezielle Reinigungsflüssigkeit in Verbindung mit hochfrequenten Vibrationen auch dem hartnäckigsten Schmutz, bis hin in die kleinsten Ecken, keine Chance. Kostenpunkt um die 15 bis 20 Euro pro Vergaser. Da die Reinigungsflüssigkeit im wesentlichen aus Wasser besteht, ist es enorm wichtig, den Vergaser unmittelbar nach der Behandlung auszublasen, da ansonsten die feinen Kanäle direkt wieder zuoxidieren. Eine anschließende Behandlung mit speziellen Pflegemitteln (z.B. WD 40) verhindert weitere Oxidationsangriffe. Sollte der Vergaser noch längere Zeit ruhen, ist eine solche Konservierungsmaßnahme Pflicht.
Problematischer ist es, wenn ein mechanischer Defekt vorliegt. Ein solcher hat häufig zur Folge, dass irgendwo am Vergaser oder seiner Peripherie unerwünscht Luft gezogen wird. Führt das Standgas ein wildes Eigenleben, während es im oberen Drehzahlbereich noch ordentlich abgeht, deutet das auf so eine widerrechtliche Luftzufuhr hin.
Nicht ganz ungefährlich: das Gemisch magert ab, der Motor überhitzt, und im schlimmsten Fall mündet das Ganze in einem kapitalen Motorschaden. Im Zweifelsfalle sollte man in verschiedenen Drehzahlbereichen das Kerzenbild kontrollieren. Je heller es ist, desto magerer das Gemisch und heißer der Motor. Das klassische rehbraune Kerzenbild zeugt von einer gesunden Verbrennung.
Um eine falsche Luftzufuhr festzustellen, sprühen viele Werkstätten bei laufendem Motor Bremsen- oder Vergaserreiniger auf den Vergaser. Sollte sich die Drehzahl dabei abrupt ändern, deutet das auf Undichtigkeiten hin. Bei dieser hochexplosiven Aktion ist aber höchste Vorsicht geboten. Sie sollte ausschließlich im Freien und weit weg von jeder Feuerquelle vonstatten gehen.
Manche mechanische Defekte lassen sich einfach entlarven: läuft zum Beispiel Sprit aus dem Überlauf ist das Schwimmernadelventil defekt. Undichtigkeiten, die falsches Luft ziehen zur Folge haben, sind dagegen schwerer auszumachen, da generell der ganze Weg der Luft, angefangen beim Luftfilter, wo sie angesaugt wird, bis letztendlich zum Zylinder wo das Gas-Luftgemisch explodiert, gescheckt werden muss.
   
Beginnen wir beim Luftfilter: Ist dieser halb aufgelöst oder zu dreckig, fährt das Motorrad zwar noch im unteren und mittleren Drehzahlbereich, aber mit Höchstleistung ist dann Essig. Dieses Symptom tritt im übrigen auch auf, wenn offene Luftfilter, ohne andere Bedüsung eingesetzt werden. Auch die Gummimanschette, die Luftfilter und Vergaser verbindet, sollte einer Sichtprüfung unterzogen werden: sie muss bündig aufsitzen, und darf nicht porös sein, ebenso wie der Ansaugstutzen und dessen Dichtung zum Motor hin. 
Haben die Materialien einige Jahre auf dem Buckel können sie aushärten und einreißen.
Die meisten modernen Motorräder haben unterdruckgesteuerte Benzinhähne. Auch hier sollte man sicherstellen, dass angefangen bei der Gummimembran im Benzinhahn über den Unterdruckschlauch bis hin zum Anschluss am Ansaugstutzen oder Vergaser alles technisch einwandfrei ist.
   
Handelt es sich um einen gebraucht gekauften Vergaser, empfiehlt es sich, sämtliche Düsen mit den originalen Herstellerangaben zu vergleichen. Nicht selten kommt es vor, dass selbsternannte Tuner, in der spleenigen Hoffnung auf mehr PS, die Düsen aufbohren.
Das mal abgehakt, sollten wir als erstes die Schwimmerkammer und deren Innenleben kontrollieren. Wenn die Spitze des Nadelventils sich erkennbar in den Sitz eingearbeitet hat, sollte es in jedem Fall ausgetauscht werden, selbst wenn es gerade noch abdichten sollte. 
Auch die Feder im Inneren des Ventils erschlafft oft, wodurch der Anpressdruck auf den Sitz verloren geht. Durch das Verbiegen der Schwimmerzunge, die auf das Ventil drückt, lässt sich der Schwimmerstand justieren. Hierbei sollte man sich an die Herstellerangaben halten. Während die modernen Schwimmer meist aus Kunststoff sind, wurden alte Schwimmer in der Regel aus weichgelöteten Messingformteilen hergestellt, die oft undicht werden. Hier gilt zu überprüfen, ob sich der Schwimmer mit Benzin gefüllt hat.
   
Hat der Vergaser schon ordentlich Kilometer gefressen, machen sich am Schieber oft erste Verschleißerscheinungen bemerkbar: die Gummimembran wird rissig oder weist am Dichtsitz sichtbare Beschädigungen auf. Die Membran ist mit einer Kunststoffmanschette auf den Schieber aufgepresst. Auch hier können Undichtigkeiten auftreten, die aber mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen sind.
Überprüfen wir jetzt den Vergasertorso: Zunächst die federbelastete Leerlaufgemischeinstellschraube; ist deren Spitze nicht mehr spitz oder gar verbogen, muss sie ausgetauscht werden, da die Schraube so nicht mehr justierbar ist. Leider neigen viele dazu, sie vor dem Losdrehen zu fest anzuziehen (Herstellerangaben beachten).
Auf der Luftfilterseite hat der Torso Belüftungsdüsen für die Schwimmerkammer. Da über die Motorentlüftung auch überschüssiges Motoröl und Feuchtigkeit aus dem Motor ausgeschieden und wieder durch den Vergaser gejagt wird, setzen sich die Belüftungsdüsen gerne schon mal mit Motorschmand zu. Da hier aber eine einwandfreie Luftzufuhr gewährleistet sein muss, müssen die Belüftungsdüsen und Kanäle gegebenenfalls gereinigt werden.
Auf festen Sitz müssen auch die Plomben überprüft werden, die die fertigungsbedingten Bohrungen der feinen Kanäle im Vergaser versiegeln.
Bei hohen Kilometerleistungen werden auch Drosselklappe und -welle schon mal beschädigt. Die Drosselklappen können sich in den Aluminiumtorso des Vergasers einarbeiten. Durch die Federbelastung der Drosselklappenwelle wird zusätzlich auch seitlicher Druck ausgeübt.
   
Ist dies der Fall, schließt die Drosselklappe nicht mehr richtig, und zieht Falschluft. Dann kommt man nicht dran vorbei das Teil auszubauen. Dies ist aber eh erforderlich, wenn man die Drosselklappenwelle und deren Sitz überprüfen will. Bei den Befestigungsschrauben der Drosselklappe ist beim Ausbau allerdings Vorsicht geboten, da die Schräubchen am Gewindeende gestaucht sind. Dreht man sie einfach nur heraus, führt man der Welle und dem Gewinde irreparable Schäden zu. Daher muss man die Gewindeenden vorm Rausdrehen abschleifen. Bei der Montage reicht es, das Gewinde mit Loctite einzusetzen.
An der Welle gilt zu überprüfen, ob diese krumm ist, und ob die Lagerbuchsen nicht ausgeschlagen sind. Neue Lagerbuchsen müssten allerdings von einem Vergaserfachbetrieb eingesetzt werden. Auch die Dichtringe sind möglicherweise defekt, und müssten in dem Fall natürlich ausgewechselt werden.
   
Ist die Drosselklappe eingeschlagen, gibt es zwei Möglichkeiten der Restauration. Zum einen bieten spezialisierte Betriebe Drosselklappen in Übergröße an. Dafür wird der Vergaser minimal aufgespindelt und die neue Übergröße eingesetzt. Hat sich die Drosselklappe aber schon zu weit eingearbeitet, bietet sich folgende Alternative: der Vergaser wird noch weiter aufgespindelt, so dass eine Aluminiumbuchse eingesetzt werden kann. Die Kanäle werden neu gebohrt und wieder mit einem Messingpfropfen versiegelt, und abschließend kann die Original-Drosselklappengröße wieder eingesetzt werden. Diese Drosselklappen sind übrigens oval und werden in einem Winkel von 8 - 10 Grad aus Rundmaterial geschnitten.
So eine Drosselklappenrestauration bewegt sich preislich zwischen 90 bis 100 Euro pro Vergaser. Solche spezialisierte Betriebe bieten im übrigen auch Nachbauten von Düsen, Düsennadeln oder -stöcken, vor allem für Oldtimer, an.
Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt: wenn man definitiv ausschließen kann, dass der komplette Ansaugweg inklusive des Vergasers in Ordnung ist, aber die Symptome trotzdem dafür sprechen, dass die Maschine sich irgendwo falsch Luft reinsaugt, können auch feine Haarrisse am Zylinderkopf oder ein undichtes Ventil dafür verantwortlich sein.

Ist das Gaswerk am Ende glücklich wieder zusammengebaut, gilt es die Einstellungen nach Herstellerangabe vorzunehmen, und bei mehreren Vergasern diese zu synchronisieren. Aber das ist wieder ein Kapitel für sich......   

Text Beate Buckert, Fotos: O.K. / R.V.
Für die Veröffentlichung liegt mir die freundliche Genehmigung der Autorin vor. Eine nicht genehmigte Verwendung dieses Beitrages für kommerzielle oder werberische Zwecke wird von ihr ausdrücklich untersagt.

Michael (15.02.05 )    [Start]