Hauptuntersuchung ohne Probleme 

Eines der eher unangenehmen Dinge beim Motorradfahren ist die sogenannte "technische Hauptuntersuchung" - hierzulande auch TÜV-Untersuchung genannt - und die steht mit schöner Regelmäßigkeit alle zwei Jahre auf dem Programm. Man kann sie in Deutschland entweder beim TÜV oder bei der DEKRA durchführen lassen. Wo man es machen lässt, ist eigentlich egal, denn sie wird auf der Grundlage des § 29, Anlage VIII StVZO ausgeführt.
Hier also die Sammlung von Prüfpunkten, die auch von Biker/innen erledigt werden können, die keine großen Schraubererfahrungen haben.

Vorbereitung
Das ganze verliert seinen Schrecken, wenn man seine Maschine in aller Ruhe vorbereitet. Dazu gehört zunächst eine gründliche Reinigung. So macht man nicht nur einen guten Eindruck, sondern erkennt auch gleich den ein oder anderen kleinen Mangel. 
Teil der Hauptuntersuchung ist meist eine Probefahrt. Der Prüfer bewertet dabei das Ansprechverhalten der Federung, das Fahrverhalten, die Wirkung der Bremsen, die Geräuschentwicklung des Motors und die Funktion des Tachometers. So eine Probefahrt sollte man daher auch vor der Prüfung machen - am besten von einem Bekannten, der sich noch nicht an das Motorrad gewöhnt hat.
Sind Zubehörteile angebaut worden, sollte man die entsprechenden Gutachten, Berichte oder ABE mitführen. Mehr zu diesem Thema, könnt Ihr hier lesen.
Als nächstes stellt man sicher, dass die Fahrgestellnummer und das Typenschild gut lesbar sind. Danach checkt man das Motorrad, wie unten beschrieben, gründlich durch. So vermeidet man größere Überraschungen, spart  Zeit und hat keine unnötige Geldausgaben.
   


Antriebsstrang
Die Spannung der Antriebskette kann man überprüfen, indem man das Hinterrad langsam mit der Hand dreht. Ändert sich dabei die Kettenspannung bzw. der Durchhang "D" zu stark, ist die Kette ungleichmäßig gelängt und muss ausgetauscht werden.
Sind die Zähne des Kettenrades oder des Ritzels im oberen Bereich zu stark verschlissen oder gar leicht verbogen, müssen auch diese ersetzt werden. Solche Haifischzähne werden von Prüfern gar nicht gerne gesehen. Wie man die Kette genauer prüft und pflegt, könnt Ihr hier lesen.
Besitzer von Maschinen mit Kardanantrieb haben es leichter. Sie sollten lediglich beim Primärtrieb- und Kegelrad-Gehäuse prüfen, ob dieses noch einwandfrei dicht ist. Ölnebel sollte also entfernt werden.
   
Bremsanlage
Bremsscheiben dürfen nicht zu stark verschlissen sein oder tiefe Riefen haben. Auch die Bremsbeläge müssen noch eine ausreichende Stärke aufweisen. Die Verschleißanzeige gibt hierüber Auskunft. Achtet darauf, dass Bremsschläuche oder -züge keine Scheuerspuren, Knicke oder Risse haben. 
Der Bremsflüssigkeitsstand im Behälter muss ausreichend sein und die Flüssigkeit sollte nicht dunkel, d.h. alt sein. Mehr zum Thema Bremsen erfahrt ihr, wenn ihr hier klickt.
  
Beleuchtung und Hupe
Natürlich müssen Abblendlicht, Fernlicht und Standlicht, alle Blinker, die Rück- und die Bremsleuchte einwandfrei funktionieren. Die Bremsleuchte wird übrigens von der Hand- und der Fußbremse betätigt. Falls vorhanden, prüft auch die Lichthupe. Denn die wird selten benutzt und ist oft defekt. Nun sollte man die Reflektoren aller Beleuchtungseinheiten genau unter die Lupe nehmen. Besonders der Scheinwerfer wird gerne "blind" oder in den Blinkern steht Wasser.
Ein Rückstrahler (Katzenauge) mit Prüfzeichen muss ebenfalls montiert sein. Und dass die Hupe wirklich hupt, ist eigentlich selbstverständlich.
  
Hinterradabdeckung
Wenn ein Motorrad noch nach StVZO-Regeln zugelassen wurde, so wie alle alten GS-Modelle, muss unbedingt eine Hinterrad-Abdeckung montiert sein. Diese darf maximal 15 Zentimeter über der Hinterachse aufhören. So wie im Bild gezeigt, ist es leider nicht legal, zumal auch das Katzenauge fehlt.

Neuere Motorräder werden übrigens nach einer EU-Richtlinie ausgeführt und dort ist eine solch lange Radabdeckung nicht vorgesehen. Wer zu spät kommt, wird also nicht immer vom Leben bestraft!

  
Kraftstoff- und Auspuffanlage
Die Vergaseranlage muss natürlich dicht sein. Das gleiche gilt für den Tank, der auch keine Korrosion aufweisen darf - mehr erfahrt Ihr hier.
Eine lose oder undichte Auspuffanlage, die dazu noch mit einem "Brüllrohr" bestückt ist, wird niemals die Hauptuntersuchung bestehen. Am problemlosesten ist natürlich eine Originalanlage. 
Wurde eine Nachrüstanlage montiert, sollte diese bereits in die Kraftfahrzeugpapiere  eingetragen sein. Falls nicht, muss eine allgemeine Betriebserlaubnis (ABE) oder zumindest ein Mustergutachten im Original vorliegen.
   
Motor
Die Prüfer verlangen keinen perfekt sauberen Motor, aber einigermaßen dicht sollte er schon sein. 
Alles weitere liegt im Ermessensspielraum des Prüfers. Leichte Ölnebel an den Dichtungen sind dabei meist kein Problem, aber der Besitzer einer rollenden Ölquelle, die unschöne Flecken in der Prüfhalle hinterlässt, hat meist keine Chance, die begehrte Plakette zu erhalten.
   
Reifen
Besonders aufmerksam werden die Reifen unter die Lupe genommen. Das fängt damit an, dass die richtigen Reifen montiert sein müssen und bedeutet, dass die Reifenpaarung (Größe, Geschwindigkeitsklasse oder auch der Hersteller) in den Fahrzeugpapieren eingetragen ist. 
So ist die Laufrichtung wichtig und natürlich dürfen die Pneus nicht beschädigt sein. Die vorschriftsmäßige Profiltiefe beträgt mindestens 1,6 mm, aber 2 mm sind besser. Manche Verschleißmarkierungen geben übrigens nur 1 mm an. Mit einer 50 Cent-Münze kann man die legale Tiefe testen. Sie entspricht etwa dem Abstand der Null an ihrer schmälsten Seite und dem Rand der Münze.
  
Radlager
dürfen kein Spiel haben. Dazu muss das Motorrad auf dem Hauptständer stehen. Mit beiden Händen wird das Rad angepackt und man versucht es zu "kippen". Wenn Lagerspiel spürbar wird oder gar klackernde Geräusche auftreten, müssen die Lager erneuert werden.
Die Prüfung muss mit Gefühl am Hinter- und am Vorderrad ausgeführt werden, denn das Spiel könnte auch vom Schwingenlager oder der Telegabel kommen.
  
Schwingenlager
Das Schwingenlager kann man mit einem Handgriff überprüfen. Man stellt das Motorrad auf den Hauptständer und packt die Schwinge mit einer Hand. Nun versucht man diese in Richtung der Schwingenachse hin- und herzubewegen. Wird Spiel festgestellt, müssen die Lager ausgetauscht oder mit Scheiben ausdistanziert werden. Das ist in der Regel eine Arbeit für eine Fachwerkstatt.
Bei modernen Motorrädern sind die Lager übrigens oft so konstruiert, dass diese einfache Prüfung nicht mehr aussagekräftig genug ist. Aber für die alten GS-Modelle gilt sie noch.
   
Vorderradgabel
Auch für diesen Standard-Check steht das Motorrad auf dem Hauptständer. Ein Helfer drückt nun das Heck nach unten, damit das Vorderrad entlastet ist.
Die Gabel muss sich nun leicht zwischen den Lenkanschlägen drehen lassen, ohne dass man einen Widerstand spürt. 
Zieht und drückt man leicht an der Telegabel, darf im Lenkkopf kein merkliches Spiel vorhanden sein. 
Auch müssen die Dichtringe an den Tauchrohren in Ordnung sein, das heißt, es darf kein Öl aus der Vorderradgabel austreten.
   
Seitenständer
Im Gegensatz zu früher wird heute dem Seitenständer große Beachtung geschenkt. Steht die Maschine auf dem Seitenständer und wird aufgerichtet, muss dieser selbständig einklappen. Dies geschieht bei den Suzuki-Modellen über zwei starke Federn. Eine ist nicht ausreichend!
Andere Seitenständerkonstruktion sind so ausgelegt, dass er ausgeklappt bleibt. In diesem Fall muss eine elektrische oder mechanische Vorrichtung sicherstellen, dass man nicht losfahren kann.
  
Nun sollte eigentlich nichts mehr bei der Hauptuntersuchung schief gehen. Wann die fällig ist, wird in Deutschland durch eine Plakette auf dem Kennzeichen und in den KFZ-Papieren angegeben. Ein kurzfristiges Überziehen dieses Termins ist meist nicht schlimm, nur wird bei der Prüfung dann entsprechend zurückdatiert. 
Liegt der Termin aber mehrere Monate zurück und wird man von der Polizei erwischt, ist ein Bußgeld fällig, und es gibt für deutsche Biker/innen "Punkte" in der berühmten Flensburger Kartei.

Eine weitverbreitete Fehleinschätzung ist übrigens, dass nach der Hauptuntersuchung ein Fahrzeug technisch 100%ig in Ordnung ist. Aber leider stellt die Hauptuntersuchung keine Garantie dar. 
Vom Sachverständigen wird nur der momentane Zustand geprüft. Befinden sich Teile (z.B. Reifen oder Bremsbeläge) kurz vor ihrer Verschleißgrenze, wird die Plakette trotzdem vergeben - meist mit dem Hinweis, dass die Teile bald auszutauschen sind. 
Das heißt, dass Fahrzeughalter/in und Fahrer/in für den betriebssicheren Zustand des Fahrzeugs verantwortlich sind - und zwar ausschließlich! Werden bei einer Verkehrskontrolle Mängel, wie defekte Bremsen, abgefahrene Reifen, eine zu laute Auspuffanlage oder mangelhafte Beleuchtung festgestellt, nutzt die gerne benutzte Ausrede "komme gerade von der Hauptuntersuchung" leider nichts.

© Michael (26.08.12 )    [Start]