Kettenöler selbst gemacht 

Das Schmieren der Antriebskette ist wirklich lästig, besonders für Vielfahrer(innen). Die Lösung ist ein automatisches Kettenschmiersystem, wie es beispielsweise von Scott angeboten wird. Wer jedoch keine großen Scheine dafür ausgeben will und lieber schraubt, der muss kreativ sein. So wie Werner, dessen Kettenschmiersystem Marke "Schwerkraft" ich hier vorstelle. 
   
Es wird elektrisch aktiviert und besteht aus einem kleinen Öltank (1), einer Entlüftung (2), einem Ventil (3) das über ein Relais (4) angesteuert wird, einer Drossel (5) und dem Tropfrohr zur Kette (6).

Das Ganze wird über Schläuche (gelb) verbunden und mit geeignetem Material an den Rahmen montiert. 
Wie das geht, ist unten beschrieben. Hier zunächst die Materialliste:

 
Nr. Teil Bezeichnung, Dimension Bezugsquelle, z.B.
1 Weithalsflasche, Kunststoff PE-LD 100ml oder 200ml botec24.de
2 Sintermetall-Dämpfer für Druckluft  M5 fluidconcept.de
3 Magnetventil, 2_2 NC direkt, Messing 1/8“, DN3_1, VITON, 12V=, 0-2bar fluidconcept.de
4 Hochstromrelais FRC2 50A, 12V, 1 Wechsler reichelt.de
4a Kfz-Sicherungshalter, Schnellmontage FKS-HALTER 5 - reichelt.de
4b Kfz-Flachsicherung 10A, rot reichelt.de
4c LV-B -Leitungsverteiler 1,5 - 2,5mm, blau reichelt.de
4d Kabelsockel für Binder KAB-SOCKEL 2,5H, 2,5 mm reichelt.de
4e Kfz-Kabel min. 1,5 mm² reichelt.de
5 Drosselventil, Blockbauform, Aluminium G1/8, 2-10 bar, V53 18 18 fluidconcept.de
5a PUR-Schlauch (nach Bedarf) Polyester-Polyurethan, 4 x 2mm fluidconcept.de
5b Gerade Schnellverbinder (nach Bedarf) 1/8“ für Schlauch 4mm fluidconcept.de
5c Kontermutter für Schnellverbinder 1/8“, flach amazon.de
6 Tropfrohr    Eigenbau
   
Das Bild zeigt ein eingebautes Kettenschmiersystem. Wenn der Öltank (1) so wie hier unter einer Verkleidung verschwinden wird und nicht gut zugänglich ist, muss ein Schlauch zur Befüllung bzw. zur Belüftung nach oben verlegt werden. Dazu sind Adapter am Boden der Weithalsflasche erforderlich, an welche die Schläuche angeschlossen werden können.
Sowohl das Magnetventil (3), das Relais (4)  als auch das Drosselventil (5) werden einfach mit Kabelbinder oder Klettband am Rahmen befestigt.
Man erkennt hier gut die Verbindungsschläuche zwischen den einzelnen Bauteilen. Das Prinzip sollte euch jetzt klar sein. Schauen wir uns als Nächstes die Bauteile nacheinander an.
    
Öltank einbauen
Als Öltank (1) eignet sich eine sogenannte Weithalsflasche. Die gibt es mit rundem oder rechteckigen Querschnitt im Fachhandel. In den Deckel der Flasche wird ein Loch (9mm) gebohrt, von außen ein gerader Schnellverbinder eingesetzt und von der Gegenseite wird eine Mutter dagegengesetzt. Die Mutter mit dem 1/8 Zoll-Gewinde stellt ein kleines Problem dar. Es gibt sie nicht an jeder Ecke. Zur Not muss man den Kumpel mit der Drehmaschine bemühen und sie sich selbst fertigen. Auf den Schnellverbinder wird der Schlauch geklemmt.
Der Öltank wird an einer geeigneten Stelle möglichst hoch ins Motorrad eingebaut, beispielsweise in den Heckbürzel.
    
Entlüftung vorsehen
Damit das Öl auch stets gut nachlaufen kann, muss der Öltank entlüftet werden. Dazu reicht ein kleines Loch im Tank. Besser ist jedoch, in den Boden der Flasche einen Schnellverbinder einzusetzen und mit einer Mutter zu befestigen, wie oben beschrieben. Auf den Verbinder wird ein genügend langer Schlauch aufgesetzt und über das Niveau des Tanks verlegt. Ein Sintermetall-Dämpfer (2) für Druckluft, der in das offene Ende des Schlauchs gedreht wird, verhindert so, dass ungewollt Öl austreten kann. Die poröse Struktur des Dämpfers erlaubt jedoch, dass Luft nachströmen kann.
    
Magnetventil einbauen
Damit das Schmiersystem nur arbeitet, wenn das Motorrad in Betrieb ist, wird an die Leitung vom Tank ein Magnetventil (3) über Schnellverbinder angeschlossen. Das Ventil arbeitet elektrisch und man kann es an die Lichtleitung klemmen. 
Wird das Licht eingeschaltet, öffnet das Ventil und Öl fließt nach. Da die Lichtleitung bereits über eine Sicherung abgesichert ist, entfallen der gezeigte Sicherungshalter und die Sicherung.  Sie werden nur erforderlich, wenn ein separater Stromkreis mit einem Relais eingebaut werden soll, wie das im nächsten Absatz beschrieben ist. 
    
Schaltrelais vorsehen (optional)
Technisch sauberer ist, das Magnetventil über ein separates Relais (4) direkt über die Batterie mit Saft zu versorgen. Nur der Steuerstrom des Relais kommt so über die Lichtleitung, ist deutlich geringer und belastet nicht den vorhandenen Stromkreis. Das Schaltrelais ist oben links und das Magnetventil unten rechts zu sehen. 
Wählt man diese Lösung, muss man die Leistungsleitung des Relais mit einer eigenen Sicherung schützen. Den einfachen Anbau erkennt man im oberen Bild.
    
Drosselventil einbauen
Beim Öffnen der Ölleitung würde das Öl unkontrolliert und relativ schnell abfließen - schöne Bescherung. Um das zu verhindern, muss man zwischen Magnetventil und der Leitung zum Hinterrad ein zusätzliches Drosselventil (5) vorsehen. Mittels der oben erwähnten Schnellverbinder wird es mit dem Ölschlauch verbunden und über Kabelbinder an einer zugänglichen Stelle am Rahmen befestigt. Wie man die Drossel einstellt, wird weiter unten beschrieben.
    
Tropfrohr anpassen
Der Ölschlauch wird vorzugsweise auf der Außenseite der Schwinge mit Sicherheitsabstand zur Kette verlegt, damit man Beschädigungen leichter erkennen kann. Es sollte stets Gefälle vorhanden sein, um ein Nachtropfen im Stillstand zu vermeiden. Tropft es dennoch, liegt ein Schaden vor (z.B. Schlauch aufgescheuert, Halter verbogen).
Der Schlauch sollte mit einem Tropfrohr (6) verbunden sein, das unter der Schwinge endet und das Öl auf das Kettenrad gelangen lässt (hier ca. 2cm hinter dem Eingriff vom Kettenrad in die Kette). Je länger der Weg, desto mehr Zeit hat das Öl, um zur Kette zu gelangen und es wird weniger Öl abgeschleudert
Das Tropfrohr sollte einen Halter ist bekommen, der am besten auf der Steckachse montiert wird, damit er beim Kettenspannen immer auf der gleichen Position bleibt. Wichtig ist auch ein flacher Winkel und ein möglichst geringer Abstand  zum Kettenrad (max. 1 cm), damit das Öl gut gegen das Kettenrad fließen kann. Ein beidseitiger Ölauftrag ist nicht nötig, da sich das Öl im Betrieb von selbst gut auf der Kette verteilt.
    
Alternativ wird der Halter an den Gewindebohrungen vom Montageheber oder am Kettenspanner verschraubt und
muss beim Kettenspannen etwas nachgebogen werden. 
Bei dieser Variante hat Werner kein separates Tropfrohr vorgesehen, sondern den Ölschlauch direkt bis zum Kettenrad geführt. Zur Stabilisierung des Schlauchendes wird in den Schlauch ein Stück Stahldraht eingeschoben (ca. 0,5 mm dick) an dessen einen Ende eine kleine Öse angebogen wurde. Die Öse wird in den Schlauch geschoben, das kurze Ende der Öse steht etwas vor und verkrallt sich im Schlauch, damit der Draht nicht herausgezogen wird. Der Draht kann ca. 0,5 cm heraus schauen und ganz nah ans Kettenrad geführt werden, so dass das Öl gezielt an ihm herablaufen kann. 
    
Befüllen des Öltanks
Zum Öl nachfüllen kann man die Flasche herausziehen, den Belüftungsschlauch zum Dichten knicken und den Deckel abschrauben. Oder man spendiert am Öltank einen zweiten Befüllungsschlauch.
Es kann beliebiges Öl verwendet werden, wichtig ist nur, dass es die Dichtringe der Kette nicht angreift. Geeignet ist gebrauchtes Motoröl, dass schon längere Zeit in einem Behälter gestanden hat, damit sich Verunreinigungen abgesetzt haben.
Falls besonders im Hochsommer die Viskosität zu gering wird, sich die Tropfgeschwindigkeit mittels Drossel nicht mehr reduzieren lässt und zu viel Öl läuft, muss auf frisches Öl zurückgegriffen werden. Sollte bei tiefen Temperaturen die Viskosität zu hoch werden, so kann man diese durch Zugabe einer kleinen Menge Heiz- oder Dieselöl verringern.
Wer etwas für die Umwelt tun will, greift auf Sägekettenhaftöl zurück. Das funktioniert und ist biologisch unbedenklicher.

Grundeinstellung der Drossel
Zur Schmierung der Kette wird nicht viel Öl gebraucht. Der Zeitabstand zwischen den einzelnen Tropfen sollte etwa 1 - 1,5 Minuten sein. Um dies einzustellen, löst man den Halter an der Schwinge und lässt das Schlauchende frei nach unten hängen. Legt man ein sauberes Blatt Papier darunter, erkennt man gleich, ob ein Tropfen gefallen ist. 
Das Einstellen kann eine Weile dauern. Daher ist es besser, das Magnetventil bei der Grundeinstellung direkt mit der Batterie zu verbinden. Nun öffnet man die Drossel weit und flutet erst mal die Ölleitung. Zeigen sich Tropfen, zählt man diese und regelt an der Drossel entsprechend nach. Jetzt ist das System betriebsbereit und es wird Zeit für eine Probefahrt.

Einstellung der Drossel im Betrieb
Anfänglich sollte man häufiger die Funktion prüfen. Im Fahrbetrieb darf die Kette nicht vor Öl glänzen, sondern an den Rollen eine leicht graue Farbe haben. Beim Berühren mit dem Finger spürt und sieht man einen dünnen Schmierfilm. Ist das nicht der Fall, muss die Drossel etwas geöffnet werden.
Bei zu hoher Dosierung ist alles mit Öl verspritzt und es kann sogar auf den Reifen gelangen. Dann sofort die Drossel etwas schließen. Nach einer Weile hat man die optimale Einstellung gefunden. Geringe Spritzer im Heckbereich insbesondere auf der Rückseite des Kennzeichen muss man jedoch in Kauf nehmen.

Und warum der ganze Aufwand? 
An einem von Werners Mopeds stand der Tacho kürzlich bei 37.000 km, die Kette wurde nur minimal nachgespannt und sieht noch sehr gut aus. Auch beim Putzen zeigt sich die Ölschmierung von ihrer besten Seite. Das Hinterrad kann mit einem trockenen Lappen viel leichter gereinigt werden als bei der Verwendung von Kettenspray.

Dieser Artikel basiert auf einem der vielen Schrauber-Tipps von Werner, von dem auch die meisten der Bilder stammen. Er hat mit die freundliche Genehmigung gegeben, das Material aufzubereiten und hier zu verwenden. Danke, Werner!
© Werner, Michael (29.09.12 )    [Start]