Abstimmung einer Federgabel
von Dr.-Ing. Rainer Nowak

Teil 1: Optimierung des Luftpolsters

Die richtige Abstimmung der Federgabel hat einen wesentlichen Einfluss auf das Fahrverhalten. Häufig wird deshalb gefragt: Wieviel Gabelöl ist optimal? Was bringen progressive Federn?
Der vorliegende Beitrag widmet sich dem Zusammenspiel von Feder und Luftpolster in einer klassischen Federgabel und der Wirkung der Rückstellkräfte auf K0-Lage* und Eintauchtiefe bei Vollbremsung.
An einem Auslegungsbeispiel wird der Einfluss der Progressivität der Gabelfeder und der Höhe des Einstellluftpolsters verdeutlicht.
Dämpfungskräfte sind nicht Gegenstand der Untersuchung, sind aber sehr wohl in Verbindung mit den Radsteifigkeiten und den Massen für ein gutes dynamisches Verhalten des Fahrzeugs relevant.

1. Basisdaten für Standrohr, Gabelfeder, Massen und Kräfte:

Max. Eintauchweg 115 mm
Innendurchmesser Standrohr 26 mm
Außendurchmesser Standrohr 35 mm
Umgebungsdruck 0,1 N/mm²
Verschlussschraube in mm Luftsäule 19 mm
Federrate weich 6,6 N/mm
Federrate hart 10,4 N/mm
Federweg weich 110 mm
Federvorspannung 30 mm
Federmasse 372 g
Dichte Federstahl 0,0078 g/mm³
Masse Fahrzeug incl. Fahrer 280 kg
Schwerpunkthöhe 580 mm
Achsabstand 1405 mm
Gewicht auf Vorderachse 110 kg
Bremsverzögerung** 6,5 m/sec²
Gabelwinkel 30°

* Neutrale Lage (Nulllage) des Fahrwerkes bzw. der Karosserie
** Vollbremsung von 100km/h auf 0km/h in 60m (nur mit Vorderrad und einer Bremsscheibe)

     
Kennlinie der Gabelfeder

Es handelt sich hier um eine typische progressive Gabelfeder mit an einem Ende enger gelegten Windungen. 

Beim Zusammendrücken gehen die engen Windungen ab einem Federweg von 110mm auf Block und die Federrate steigt von 6,6 N/mm auf 10,4 N/mm.

   
2. Berechnung der Rückstellkräfte im Standrohr in Abhängigkeit von der Eintauchtiefe
   

Kräfte im Standrohr einer Federgabel mit Luftunterstützung

   
Das Diagramm zeigt die auf Basis obiger Daten berechneten Kräfte der Tragfeder, der eingeschlossenen Luft und die Summe aus den beiden Kraftverläufen im Standrohr als Funktion der Eintauchtiefe. 

Für das Luftpolster wurden 150 mm gewählt. Die Schnittpunkte mit der ins Standrohr eingeleiteten Gewichtskraft und der Summe aus Gewichts- und Bremskraft liefern die K0-Lage und die Eintauchtiefe unter Bremslast.

   
Da eine Vollbremsung über 60m zu einem relativ konstanten Druckniveau in der Gabel führt, wurde davon ausgegangen, dass näherungsweise ein isothermer Verdichtungsprozess zugrunde liegt. Bei extrem schnellen bzw. dynamischen Verdichtungsstößen ist der Verdichtungsprozess eher polytrop und kann kurzzeitig zu deutlich höheren Drücken bzw. Rückstellkräften im Standrohr führen.
Bei dem gewählten Einstellluftpolster von 150mm ist die K0-Lage bei ca. 37mm, das entspricht etwa 32% von Gesamthub der Gabel. Durch das zusätzliche Bremsen beträgt die maximale Eintauchtiefe ca. 103mm, das entspricht etwa 90% vom möglichen Gesamthub der Gabel.
Die Gabelfeder alleine ist trotz progressiver Kennlinie nicht stark genug, das Durchschlagen infolge Gewicht und Vollbremsung abzufangen. Die progressive Feder liefert gegenüber der „nur“ linearen Feder bei maximaler Eintauchtiefe eine gerade mal 90N höhere Rückstellkraft. Damit spielt die Progressivität der Feder im Vergleich zum wesentlich progressiveren Kraftaufbau durch das verdichtete Luftpolster für das Verhalten der Gabel unter Last eine eher untergeordnete Rolle.
Eine weiche Kennlinie der Feder um die K0-Lage ist sinnvoll, damit die Gabel beim normalen Fahren komfortabel reagiert. Die Forderung nach einer weichen Kennlinie im unteren Bereich schränkt aber die Möglichkeiten einer starken Progression ein. Ab dem Federweg von 110 mm gehen die 20 engen Windungen auf Block und die verbleibenden 35 Windungen liefern eine um ca. 57% höhere Federrate, die sich damit im Mittel nur um 3,8 N/mm erhöht. Der Beitrag aus der komprimierten Luft erhöht die Gesamtsteifigkeit dagegen deutlich, was richtigerweise die Fahrsicherheit bei hohen Belastungen verbessert.
Bei Verwendung einer durchgehend linearen Gabelfeder mit c = 7,0N/mm und einem Luftpolster von 145mm stellt sich in etwa die gleiche Gesamtkennlinie ein, wie bei Verwendung der progressiven Feder. Der Unterschied zwischen den Federn ist selbst für einen geübten Fahrer kaum „erfahrbar“.

3. Einfluss des Einstellluftpolsters auf Eintauchtiefe und Rückstellkraftreserve
   

Einfluss Einstellluftpolster auf max. Eintauchtiefe und Rückstellkraftreserve

Die Rückstellkraftreserve wurde bei vollem Eintauchen des Standrohres berechnet und ist ein möglicher Maßstab für die Sicherheit gegen Aufschlagen auf den Tauchrohrboden. Bei einem Einstellluftpolster von 150mm beträgt die Reserve je Standrohr 320N und für die Gabel 640N. Das entspricht 41% der Last aus der Vollbremsung und ist neben dem hydraulischen Zuganschlag (Konus am Tauchrohrboden) ein guter Schutz gegen das Durchschlagen auf die Tauchrohre.
    
4. Fazit
  • Ohne die richtig eingestellte Luftunterstützung kann das Standrohr trotz progressiver Gabelfeder auf das Tauchrohr durchschlagen.
  • Die Progressivität der Gabelfeder hat gegenüber dem progressiven Kraftverlauf des verdichteten Luftpolsters eine untergeordnete Bedeutung.
  • Fahrdynamisch hat der progressive Verlauf der Gabelfeder kaum Relevanz. Der Steifigkeitszuwachs der Gesamtfederrate und damit das Sicherheitsplus bei extremer Belastung (Bodenwelle bei Vollbremsung oder in Kurven) kommt fast ausschließlich durch die progressive Luftfeder.
  • Die Wirkung des Luftpolsters ist relativ robust gegen Ölverlust. Selbst wenn 30mm Öl fehlen, also die Luftsäule um 30mm zu groß ist, führt das noch nicht zum Aufsetzen der Gabel.
  • Das Einstellluftpolster darf nicht zu klein sein, sonst geht das Gabelöl theoretisch „auf Block“. Der Druck wird je nach Lastfall sehr hoch und der nutzbare Gabelfederweg stark eingeschränkt. Das rechnerisch minimale Einstellluftpolster liegt im vorliegenden Beispiel bei ca. 109 mm.
  • Das optimale Einstellluftpolster ist ein Kompromiss zwischen der maximalen Ausnutzung des Gabelfederweges und der Sicherheit gegen Durchschlagen der Standrohre auf die Tauchrohrböden.
  • Die Umstellung von der linearen auf die progressive Gabelfeder verbessert das Fahrverhalten kaum. Der größere Einfluss kommt durch das richtig eingestellte Luftpolster.
  • Beim Einbau einer zweiten Bremsscheibe muss das Luftpolster aufgrund der möglichen höheren Bremsverzögerung neu abgestimmt werden.
Lest mehr über die Auslegung der klassischen Federgabel hier im Teil 2.

© Dr.-Ing. Rainer Nowak
Dieser Artikel stammt von Rainer, der mir die freundliche Genehmigung gegeben hat, diesen hier zu veröffentlichen. Rainer restauriert und fährt CBFour Klassiker von Honda und hat mit dieser Abstimmungshilfe gute Erfahrungen gemacht. Bei Fragen könnt ihr ihm eine Mail schicken.
Michael  (11.04.15 )    [Start]