SUZUKI GS 450 T - Fahreindrücke

Es ist schon eigenartig: Die normale GS 450 wurde in den zeitgenössischen Testberichten ziemlich niedergemacht, weil sie mit ihrer etwas hausbackenen Technik nicht mehr so recht mithalten konnte.
Die GS 450 T wurde hingegen meist gelobt. Wahrscheinlich waren das nicht die gleichen Tester und die "Traditional" sprach eine bestimmte Sorte Mensch an, so wie hier den Martin. Entweder man liebte sie oder stand ihr kritisch gegenüber.
So recht einordnen konnte man den Stil nicht. Man fand ein wenig Softchopper in ihren Genen aber auch Sportlichkeit. Der hohe Lenker, der kleine Tropfen-Tank, die Stufenbank und der hintere dicke 17-Zöller waren typische Easy-Rider-Attribute, doch der quirlige Motor und das recht gute Fahrwerk animierten zum Kurvenräubern.
   
Der Motor vereint Neues und Altes
Das konsequent weiterentwickelte Ur-GS 400-Triebwerk wurde auf etwa 450 ccm vergrößert und die Lagerung der Kurbelwelle von auf Gleitlager umgestellt. Es blieb beim 180 Grad Hubzapfenversatz, der zahnradgetriebenen Ausgleichswelle und den zwei Nockenwellen, die über Tassenstößel je zwei Ventile pro Zylinder antrieben. Hubraum und zwei 34er Mikuni-Gleichdruckvergaser puschten die Nennleistung des Kurzhubers auf satte 43 PS bei 9.000 1/min und das Drehmoment auf 35 Nm bei 7.500 1/min. 
Mit Unterstützung durch das butterweiche klauengeschaltete Sechsganggetriebe ging es flott zu Sache - wenn die Suzi mal warmgefahren war. Zwar sprang sie bei jeder Außentemperatur auf den ersten Knopfdruck an, doch sollte man ihr eine Warmlaufphase gönnen, sonst kämpfte man mit einem viel zu hoch drehenden Motor oder uncoolen Bocksprüngen. Je nach dem wie man mit dem Choke spielte.
Stieg die Öltemperatur, ging es hingegen in flotten 6,5 Sekunden auf 100 km/h und der aufrecht sitzende Fahrer erreichte ehrliche 155 km/h - in Kauerstellung waren gar 165 km/h drin.

Beim Chassis war Vernunft angesagt
Dem Charakter des Bikes angepaßt war das Fahrwerk der GS 450 T. Es kam mit der Motorleistung gut klar, war aber nicht übermäßig sportlich, sondern setzte auf Wendigkeit und Fahrkomfort. So überforderten heftige Bodenwellen auch mal die gut ansprechende weiche Telegabel mit ihrem Federweg von 140 mm.
Jenseits von 120 km/h hing der Fahrer am breiten Lenker und brachte das Fahrwerk in leichte Unruhe. Man wünschte sich dann einen etwas besseren Geradeauslauf. 
Ab Werk wurden IRC-Reifen aufgezogen, die gut funktionierten, solange es trocken blieb. Bei nasser Straße war Vorsicht geboten, denn dann neigten sie zum Wegschmieren. Gelobt wurde die Bremsanlage, deren vordere 270 mm Scheibenbremse als leichtgängig und hervorragend dosierbar eingeschätzt wurde. Auch bei Nässe arbeitete sie zuverlässig. Die hintere Simplex-Trommelbremse, über ein Gestänge aktiviert, erzielte gleichfalls sehr gute Verzögerungswerte.

Angenehmer Arbeitsplatz mit kleinen Macken
Im Gegensatz zur GS 450 E war die Sitzposition durch die angenehm breite Bank und den guten Knieschluß für jedermann beinahe perfekt. Nicht zu hoch für die Kurzen und nicht zu tief für lange Leute.  Auch hinten saß man übrigens recht kommod - dank der langen Sitzfläche und den tiefliegenden Sozius-Fußrasten.
Durch den breiten, geschwungene Lenker ergab sich eine aufrechte, lockere Sitzposition. Egal ob im Verkehrswühl der Großstadt oder auf der Landstraße, Kontrolle und Handlichkeit waren hervorragend.
Zeiger und Lämpchen gaben keine Rätsel auf: Übersichtlich und ruhig anzeigende Instrumente, deutlich sichtbare Kontrollleuchten und - last not least - die typische Ganganzeige, die man nach ein wenig Eingewöhnung nicht mehr missen wollte
Zwiespältig aufgenommen wurden die Lenkerarmaturen. Obwohl von bekannt hoher Qualität, nervte der Schalter am linken Lenkerende. Da hier zu viele Funktionen hineingepackt waren,  ließen sich Blinkerbetätigung und Auf- bzw. Abblenden mit dicken Handschuhen nicht immer sauber trennen. Ein fröhliches Lichtspektakel war die ungewollte Folge. 
Apropos Licht: Die schlichte 35 W Bilux-Lampe im Scheinwerfer war doch etwas zu poppelig geraten und so rüsteten viele Biker bald auf H4-Licht um. Das gleiche galt für die Standardkette, die spätestens beim ersten Ersatz einer Ausführung mit O-Ringen weichen mußte - wenn man es schaffte, das ausgelutschte Gliederwerk mit dem mäßigen Bordwerkzeug zu demontieren.

Die GS 450 T war Charaktersache.
Ließ man die 43 Pferdchen laufen, kam Freude auf. Doch viel besser eignete sich die GS 450 T für eine gemächliche Gangart. Bei mittleren Drehzahlen verwöhnte sie mit gutem Durchzug, einem sehr kultiviertem Lauf und einem niedrigen Spritverbrauch von 4,5 Litern auf 100 km. Sie war ein komfortables Allround-Bike für die Kurzstrecke oder für den schnellen Spurt - je nach Charakter des Piloten bzw. der Pilotin.

© Michael (04.10.03 )    [Start]