SUZUKI GS 400 - Fahreindrücke

Die GS 400 war zu ihrer Zeit ein Beispiel für "gepflegten Mittelstand", wie es die Zeitung "Motorrad" ausdrückte. Sie durchlief viele Testprogramme und konnte sich gegen ihre Konkurrenz durchsetzen.
Sie machte die Mittelklasse mit 27 PS immer interessanter und für viele Fans war sie ein angemessener Einstieg ins Fahrvergnügen.

Kein Wunder, dass sie so viele Freunde fand, denn sie war der einzige Zweizylinder, der annähernd wie ein Vierzylinder lief. Dafür griffen die Suzuki-Techniker tief in die Trickkiste. Hier die wichtigsten Eindrücke, die Tester und Fahrer(-innen) sammeln konnten:

   
Der Motor - ein Gedicht

Seine Konstruktion ähnelte in vieler Hinsicht dem Vierzylinder der 750er, obenliegende Nockenwelten waren aufwendig aber erlaubten eine extreme Drehfreudigkeit. Die zahnradgetrieben Ausgleichswelle sorgte für einen spürbar besseren Rundlauf. Der Wälzlager-Kurbeltrieb mit drei Rollenlagern und die fünfteilige Kurbelwelle war in einem wartungsfreundlichen, horizontal geteilten Kurbel- und Getriebegehäuse untergebracht. Alle inneren Übertragungsteile waren solide Zahnräder. Die Steuerkette wurde über kunststoffbeschichtete Kettenräder geführt, um die mechanischen Geräusche zu senken und die Einlass- und Auslassnockenwellen für hohe Drehzahlen fit zu machen. Kostspielige Details, die zeigen, dass der Motor für die hohe Leistung von ursprünglich 34 PS und lange Lebensdauer ausgelegt war. Wer braucht da noch einen Vierzylinder in dieser Klasse?
Auch mit versicherungsgünstigen 27 PS - gedrosselt über geänderte Steuerzeiten und nicht über einen zugestopften Ansaugtrakt - brachte der Motor eine ausgesprochen flach verlaufenden Drehmomentkurve. Zwischen 2.500 1/min und 7.500 1/min standen gar 90 Prozent des maximalen Drehmomentwertes (2,72 mkg bei 8.600 1/min) an. Der sehr lebendige Motor riegelte bei 8.500 1/min sanft ab, ohne das bis dahin Leistung vermisst wurde.
Überhaupt reizte die kleine Turbine zu fleißigem und schnellen Schaltvorgängen, die durch das exakt und mit kurzen Wegen zu kontrollierende Sechsganggetriebe erleichtert wurden. 180 Kilogramm Lebendgewicht erlaubten dennoch nur mittlere Fahrleistungen: Mit knapp über sieben Sekunden von 0 auf 100 km/h und einer Spitze (liegend) von über 140 km/h. Dennoch brauchte sich die GS 400 damit nicht verstecken, besonders da sie dabei mit dem Sprit geizig umging. Mehr als sieben Liter Super selbst bei strammer Fahrweise genehmigte sie sich nicht.
Andererseits lag ihr Leistungsgewicht bei der 34 PS-Version relativ hoch. Rechnet man eine 70 kg Fahrer, so mussten immerhin 9,5 Kilogramm von jeder Pferdestärke bewegt werden. Das ergab rechnerisch kein überschäumendes Temperament, doch der Fahreindruck war positiv.
Das Fahrwerk - aufwendig
Damals verwöhnten die Japaner ihre Kunden nicht gerade mit stabilen Fahrwerken. Die GS war ein rühmliche Ausnahme, den das Rohrwerk und die Dämpferelemente waren serienmäßig recht ordentlich und ermöglichten einen brauchbaren Federungskomfort und - auch auf welligem Untergrund - passable Schräglagen, die nur durch die nässeempfindlichen Serienreifen begrenzt wurden. Auch die hydraulische Telegabel schluckte alle Unebenheiten sauber weg.
Vorderradnachlauf und Lenkwinkel gaben einen einwandfreien Geradeauslauf und wenn es um die Ecken ging, genügte ein kleiner Druck, um die Suzi die richtige Richtung zu bringen.
Die Hinterradschwinge wurde nicht, wie sonst bei japanischen Großserien üblich, in schnell verschleißenden Kunststoffbuchsen, sondern in Nadellagern geführt, denen es zu verdanken war, dass das Fahrverhalten über längere Zeit konstant gut blieb.
Die Bremsen - ordentlich
Viel wurde bei den Bremsen in die Sicherheit investiert. Die vordere Scheibe arbeitete ordentlich und auch die hintere Simplextrommel war für die angestrebten Geschwindigkeiten in der Gewichtsklasse völlig ausreichend dimensioniert.
Nur die kleinen Bremsklötze im Vorderrad hatten bei sportlicher Fahrweise eine Menge zu leisten und verschlissen konstruktionsbedingt oft einseitig. Die Beläge der hinteren Trommel hielten bei richtigem Bremsen, sprich hauptsächlich vorne, meist ewig.
Die Austattung - gut und vollständig
Hebel und Schalter waren perfekt platziert und gaben kaum Rätsel auf. Die Bedienbarkeit von Brems- und Kupplungshebel war gut. Nur der anatomisch ungünstig geformte Serienlenker wurde kritisiert. Der Blinkerschalter wollte manchmal nicht so recht arretieren, aber die Schalter für Hupe und Licht waren einfach zu bedienen. Die Sitzposition war insgesamt gut und ermöglichte einen guten Knieschluss. 
Der 14 Liter- Tank und die ausreichend lange Sitzbank harmonierten prächtig und so wurden auch längere Touren zu zweit einigermaßen komfortabel abgespult. 
Die Verarbeitung war guter Großserienstandard, aber insgesamt recht solide. Nur die miese Qualität der japanischen Serienreifen war ein Grund für die Besitzer schnell auf europäische Marken umzurüsten.
Dabei ging der Ausbau des Vorderrades flott vor sich, was man vom Hinterrad nicht sagen konnte. Um an den Reifen zu kommen, musste ein Schalldämpfer demontiert werden. 
Mühe machte auch das Aufbocken, denn der ungünstig geformte Mittelständer erforderte viel Kraft.
Dennoch waren sich die Tester einig, dass die GS In punkto Motor und Fahrwerk der übrigen Konkurrenz eine Nasenlänge voraus war.
Das Stehvermögen des kleinen Twins
Die Zeitschrift "Motorrad" bescheinigte ihr in einem 25.000 km Langstreckentest eine hohe Reife und gutes Stehvermögen.
Obwohl das Motorrad häufig am oberen Limit bewegt wurde, war sie nicht anfällig für Defekte. Motor und Fahrwerk überstanden die Marathonstrecke klaglos und ließen die Tester nie im Stich. Größere Reparatur? Fehlanzeige! Nur die Stoßdämpfer waren nach 18.000 km am Ende, und gegen Ende der Fahrstrecke stieg der Ölverbrauch, weil eine Ventilführung und die Ölabstreifringe verschlissen waren.
Die Wartung und Pflege beschränkte sich in dieser Zeit auf ein Minimum: Kontrolle des Ölstandes, normale Kettenpflege, Kontrolle  von Reifen, Speichen und Bremsbelägen waren Minutensache, aber für die Sicherheit notwendig. Ein Auge sollte man auf das Lenkkopflager, den Zündzeitpunkt und das Ventilspiel haben, um entsprechende Zuverlässigkeit zu gewährleisten.
Probleme gab es an einer ungewöhnlichen Stelle: Scheinwerferlampen hielten durchschnittlich 7.500 km, die Rücklichtlampen sogar nur 4.200 km, da der Motor feine Vibrationen hatte, die man als Fahrer aber kaum spürte.
Langlebig war die ab der "C"-Variante eingebaute O-Ringkette, die Ritzel und die Kettenräder. Hier kann man 11.000 km erwarten. Etwa alle 10.000 km waren die Kerzen fällig, der Vorderreifen blieb 14.400 km auf der Felge und der hintere hielt etwa 6.000 - 8.000 km. Was ging auf 25.000 km noch kaputt? Der rechte Kurbelwellen-Simmerring, eine Drehzahlmesserwelle, eine Tankklappe, ein Bremslichtschalter und die Leitung zum Rücklicht. 
Die Stunde der Wahrheit kam bei der Demontage des Motors: Führung eines Auslassventils leicht verschlissen und die Ölabstreifringe hatten alle Spannung verloren, wodurch sich  starke Ölkohleablagerung auf dem Kolbenboden und im Brennraum ergab - das war's. Für damalige Verhältnisse war das durchaus erfreulich.
Alles in Allem fuhr man mit der GS 400  zuverlässig und nicht zu teuer. Der im Test gemessene Durchschnittsverbrauch von 6,41 pro 100 km war auch nicht überraschend, da häufig mit Vollgas gefahren wurde. 

© Michael (04.10.03 )    [Start]