Die vier Japaner drehen auf

Honda realisiert die Unmögliche
1969 gab es also für die deutschen Motorradfans viele interessante Modelle. War eine Steigerung überhaupt noch möglich? Oh ja, denn Honda -zwischenzeitlich von Hamburg nach Offenbach-Rumpenheim umgezogen - präsentierte eine Überraschung, die die Urmutter vieler zukünftiger Superbikes werden sollte.

Mit der CB 750 Four wurde im Februar 1969 die magische Dreizylinder-Grenze für Serienmotorräder zum erstenmal durchbrochen. Seltsamerweise war das Ende der 60er zunächst kein Grund für riesige Werbekampagnen und Presserummel. 
Als die erste CB 750 Deutschland erreichte, durfte sie tatsächlich keiner fahren, denn sie war als reine Ausstellungsmaschine gedacht. 
Der wackere Klacks kriegte dennoch Wind von der Sache, erweichte die Offenbacher und ließ sie mitten in der Nacht über die kalte Autobahn schnurren. Schneetreiben, das aufkam, störte ihn dabei kaum, denn dieses Erlebnis war einzigartig. Für ihn wurde es wie "ein Ritt auf einer Apollo-8-Rakete" - für die gezeigte Dame, die auf einer zeitgenössischen Anzeige posierte, ging es da wohl etwas lockerer zu.
Noch nie  vorher gab es diese phantastische Beschleunigung, diesen seidenweichen Vierzylinder-Motorlauf und - noch ein Novum - die Scheibenbremse im  Vorderrad. Soviel geballte Technik in Serie sah die Motorradwelt zum ersten Mal. 
Die Wogen gingen hoch und alte Vorurteile wurden hervorgekramt: "Filigrane Uhrwerktechnik", "Vierzylinder, wer braucht das schon", "Das kann auf Dauer nicht halten".
Doch die CB 750 lief und lief, überzeugte mit gigantischen Fahrleistungen und schierer Unverwüstlichkeit. Der Markt sog die Neue begeistert auf und man verkaufte fast 400 Maschinen aus dem Stand
   

Yamaha setzt dagegen 
Die Leute mit den drei Stimmgabeln waren nicht ganz so experimentierfreudig und stellten Anfang 1970 die XS 1 vor. Sie war eine ganz andere Art von Motorrad und orientierte sich an britischen Vorbildern.
Immerhin hatten die Yamaha Ingenieure ihr erstes Viertakt-Motorrad auf die Zeichenbretter gezaubert. Die 650er war ganz klassisch ausgelegt, der OHC-Parallel-Twin strahlte Solidität aus und die beeindruckende Duplex-Trommelbremse im Vorderrad knüpfte an goldene Zeiten an. 
Vielleicht trauten die Jungs ihrem eigenen Mut nicht, denn es blieb zunächst bei einem einzigen Exemplar zu Testzwecken. Die Öffentlichkeit sollte außen vor bleiben.
Beinahe wäre die XS 1 auch wieder verschwunden, wenn der schlaue Klacks die Mitsui-Leute nicht überlistet hätte. 
In der Yamaha-Zentrale meldete sich ein Herr, der für einen gewissen Baron Rotschild aus Paris eine Probefahrt vereinbarte. Auch in den modernen 70er wollte man einem reichen Adligen diesen Wunsch nicht abschlagen und willigte ein. Statt des Barons tauchte aber Klacks auf. Der technische Leiter Manfred Weihe nahm es mit Humor und überließ Klacks die japanische Lady.
Gut so, denn die XS sollte in Form der Nachfolgerin XS 2 ein Erfolg und eine wunderschöne Ergänzung der Motorradlandschaft werden. Noch heute halten ihr viele Liebhaber die Treue.

Suzuki kommt langsam in Fahrt
Suzuki wollte auch ein größeres Stück vom Kuchen. Das war mit Capri Agrati nicht zu machen, da dort die Geschäfte vor sich hin dümpelten. Ein neuer Importeur musste her. Den fand man in Fritz Röth, der sich als erster Honda-Händler und seit 1964 als Importeur für Moto Guzzi einen Namen gemacht hatte. Zusammen mit Wildberger, dem Suzuki-Importeur für die Schweiz machte sich der Odenwälder nach Hamamatsu ins Suzuki-Stammwerk auf, um den Vertrag zu unterschreiben.
Aber es sollte noch bis Ende 1971 dauern, bis die Zweirad Röth in Hammelbach endlich als Suzuki-Generalimporteur loslegen konnte. Für die Saison 1972 standen acht Modelle im Angebot. 
Da waren zunächst die
kleinen RV 50 und RV 90, die mit ihren dicken Ballonreifen eine neue Art von Spaßmotorrädern definierten.
Die TS 125 und TS 250 befriedigten die ständig wachsende Nachfrage nach geländegängigen Enduros. 
Die T 250 - ein
Twin - war für die Strasse bestimmt, genauso wie die sportlichen Dreizylinder-Modelle GT 380 und GT 550.

Ganz oben war die GT 750 angesiedelt, deren bullige Leistungsentfaltung ihr den Namen "Wasserbüffel" einbrachte. 

Alle Suzuki-Zweitaktmotoren waren langlebig, unkompliziert zu reparieren und hatten viele baugleiche Teile. So hatte man das Ersatzteilproblem einigermaßen im Griff und sparte Kosten.
   
Ende der Vernunft

Kawasaki orientierte sich nach den Erfolgen mit den 250er A1 und 350er A7 Zweitakt-Raketen weiter am selbstgesetzten Motto "Stärker, schneller, besser". 
1972 war es daher mit der Zurückhaltung vorbei und man schockte die Konkurrenz mit dem absoluten Überhammer, der 900 Z1 "Super4". Vergessen war die freiwillige Beschränkung auf 750 ccm. Die Z1 mit ihrem 900er Vierzylinder-Motor war das ein Muscle-Bike schlechthin: Viel Power und wenig Fahrwerk..
Der Spitzname "Frankensteins Tochter" erklärte sich durch die brutale Gewalt, die dieses Motorrad entwickelte und dem Fahrwerk und Bremsen nicht immer gewachsen waren.
Ging noch mehr? Oh ja, denn 1978 toppte Kawa nochmal mit der Z 1300. 
Deren 6-Zylindermotor machte sie bis dato zur größten, schwersten und stärksten Serienmaschine. Heute wissen wir, dass das nicht das Ende  war. Es folgten noch viele Maxi-Bikes. Bis heute geht die Entwicklung weiter, doch das ist eine Story für sich.

Ende der 70er und Anfang der 80er hatte das Motorradgeschäft einen vorläufigen Siedepunkt erreicht..

Bilder: Honda, Kawasaki, Suzuki
© Michael (04.10.03 )    [Start]